Der Tod traegt Turnschuhe
euch nicht belauscht, Ehrenwort! Aber dieser angehende Zeitwächterjunge. Paul war unartig, also hab ich ihn runtergeschubst. Du solltest gar nicht wissen, dass ich hier bin!«
»Geh und hol Barnabas«, sagte ich, eine Hand auf dem Fensterbrett.
»Bist du gar nicht sauer auf mich?« Das Glühen, das alles war, was ich von ihr sehen konnte, verschwand, als sie aufhörte, die Flügel zu bewegen.
»Nein, aber vielleicht überleg ich's mir noch mal, wenn du nicht sofort Barnabas holst. Er ist abgeschirmt, ich kann ihn nicht erreichen.« In Wahrheit war ich fuchsteufelswild, aber ich machte mir auch ziemliche Sorgen um Nakita und den Typen, der da vom Dach gefallen war, wer immer das auch sein mochte.
»Bin gleich zurück«, klingelte sie erleichtert und schoss aus dem Fenster.
Ich holte tief Luft und spähte wieder nach draußen. Ein schwaches Schnaufen der Verwunderung ertönte aus dem Garten unter meinem Fenster, gefolgt von einem leisen Ping. Es war mehr ein Gefühl als ein echtes Geräusch und ein violetter Schimmer erleuchtete die Blätter der Eichenzweige, die sich über meinem Fenster wölbten.
Das verhieß nichts Gutes. Ich schob die Vorhänge zur Seite und kletterte auf das warme, nasse Dach, hinaus in die undurchdringliche Dunkelheit.
6
Meine Sneakers glitten auf dem feuchten Kies auf dem Dach aus und ich setzte mich schnell hin, bevor ich noch hinfiel. Die Äste über dem Haus machten die Nacht noch dunkler. Vorsichtig rutschte ich auf die Dachkante zu und sah nach unten, wo Nakita über irgendjemanden gebeugt stand. Sie hielt zwei Schwerter, in jeder Hand eines. Mein Mund klappte auf, als ich den Typen erkannte, der jetzt flach auf dem Rücken in unserem Garten lag. Den hatte ich in der Wüste durch Rons Augen gesehen. Er trug ein Amulett, das in einem kräftigen erdigen Grün leuchtete. In der gleichen Farbe schimmerte auch eines der Schwerter in Nakitas Hand.
Offensichtlich war es seins. Paul, so hatte Grace ihn genannt. »Sag mir, wer du bist!«, befahl Nakita.
Seufzend ließ ich meine Füße über die Dachkante baumeln und stieß mich ab, damit ich mir nicht die Strumpfhose an der Regenrinne aufriss. Nachdem ich ziemlich unsanft gelandet war, zog ich hastig meinen Rock zurecht. »Nakita! Langsam!«, mahnte ich mit gedämpfter Stimme. Ich spürte die Nachwirkungen des Aufpralls bis in die Zähne.
Sie drehte sich zu mir um und ich fuhr fort: »Ich glaube, das ist Rons Nachfolger Paul.«
»Chronos'-« Sie erstarrte. Dann schrie sie auf und machte einen Satz nach hinten, als der Typ nach ihr trat. Sandy, die Golden-Retriever-Dame unserer Nachbarn, fing an zu bellen und gegen den Maschendrahtzaun zu springen.
Der Typ kam schwankend wieder auf die Beine, zupfte an seiner Kleidung und blieb direkt vor Nakita stehen.
Dummer Sterblicher.
»Gib mir mein Schwert zurück«, verlangte er, aber Nakita hörte gar nicht hin. Genauso wenig wie Sandy, als ich ihr befahl, still zu sein. Der Regen wurde immer stärker und alles, was sich nicht unter dem Baum befand, war bereits triefnass.
»Du bist der angehende weiße Zeitwächter?«, fragte sie. Ihr Gesicht lag im Schatten, aber ihr Tonfall war unmissverständlich. »Bist du dafür nicht ein bisschen jung?«
Ich zog eine mitleidige Grimasse, als er wütend die Zähne aufeinanderbiss und seine Hand ausstreckte.
»Gib mir einfach mein Schwert wieder, okay?« Seinem Akzent nach schien er aus dem Mittleren Westen zu kommen. Auch wenn er ziemlich sonderbare Klamotten trug - dieselbe bauschige Hose und das Flatterhemd, die ich heute durch Rons Augen an ihm gesehen hatte.
Das Ganze erinnerte mich vage an irgendeine Kampf-Sportart. Na ja, war ja irgendwie abzusehen, dass Ron auch ihn in ziemlich alberne Klamotten stecken würde.
Nakitas Kinn zuckte hoch und sie baute sich noch ein bisschen größer vor ihm auf. »Wieso sollte ich? Du hast uns nachspioniert!«
»Weil es höflicher wäre, es ihm wiederzugeben«, bemerkte ich, während ich mich fragte, wie viel er wohl von unserem Gespräch mitbekommen hatte. Na toll.
Das Letzte, was Ron wissen musste, war, dass Nakita Angst hatte, ich könnte sie im Stich lassen.
Endlich hielt Sandy die Schnauze und ich stellte mich neben Nakita. Es war schön, einmal das Sagen zu haben, und ich hielt Pauls Blick stand, als er mich von Kopf bis Fuß musterte. »Verpiss dich«, sagte er bloß.
Oh, ein richtig Netter. »Planänderung: Behalt sein Schwert«, sagte ich und Paul verzog sich in den Schatten der Garage, näher zu
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