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Der Tod traegt Turnschuhe

Der Tod traegt Turnschuhe

Titel: Der Tod traegt Turnschuhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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Deckel aufklappte. »Die rote ist neuer, aber die schwarze hat mehr Funktionen«, erklärte ich, und als Nakita mich immer noch mit großen Augen ansah, reichte ich ihr die schwarze. »Die hier macht bessere Fotos. Sie stellt nicht automatisch scharf, so kannst du selbst entscheiden, was du scharf haben willst. Manchmal erwischt man mit einem unscharfen Bild eher das, was man eigentlich zeigen will.«
    Okay, das ergab nicht viel Sinn, aber sie nahm die alte Kamera, zog den Reißverschluss ihrer Handtasche auf und legte sie vorsichtig hinein. Ich könnte schwören, dass ich sie kurz lächeln sah, weil ihre nutzlose Handtasche nun endlich einen Zweck erfüllte.
    »Den Nagellack kannst du auch behalten«, sagte ich, weil ich fand, dass in eine Handtasche nun wirklich mehr als nur ein Gegenstand gehörte.
    »Danke«, antwortete sie ernst, als sie die Tasche neben ihre Bücher legte und ihre Sandalen in die Ecke pfefferte wie ein ganz normales Mädchen. Na ja, von wegen normal - die Schuhe landeten perfekt auf ihren Keilabsätzen unter meinem Fenster, als hätte sie jemand ordentlich dort hingestellt. »Ich werde nie so gut sein wie du«, sagte sie wehmütig.
    Ich warf einen Blick auf ihre perfekten Füße und sah wieder weg. Mann, kein Wunder, dass die Jungs sich ein Bein ausrissen, nur um mit ihr zu reden. Selbst ihre Füße waren schön. »So ›gut‹ wie jemand anders zu sein ist ja auch nicht das Ziel«, entgegnete ich, ließ mich wieder aufs Bett fallen und starrte an die Decke. Ich würde meine Mom später anrufen. »Sondern eher, dem Betrachter das Gefühl zu vermitteln, das du beim Anblick der Menschen oder der Landschaft hattest. Es gibt keine falschen Fotos. Wenn sie ein Gefühl in dir auslösen, hast du es richtig gemacht.« Das Bett bewegte sich, als sie sich ans Fußende setzte, und ich verlagerte mein Gewicht. »Glaubst du, deinem Dad werden sie gefallen?«, fragte sie. »Meine Fotos, meine ich.«
    Bei ihren Vollstreckungen war Nakita so selbstbewusst. Es war fast unwirklich, sie mit solchen Selbstzweifeln zu sehen. »Ganz bestimmt.« Meine Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln, als ich mir vorstellte, wie sie sie ihm zeigte. Mein Dad liebte meine Fotos. Er hatte im Esszimmer eine ganze Wand dafür reserviert, mit kleinen Lämpchen, die seine Lieblingsbilder beleuchteten. Er war es, der mir erklärt hatte, dass ich auf den Bildern einfangen sollte, was ich fühlte. Und ich glaube, er versuchte anhand dessen, was mein Drucker ausspuckte, herauszufinden, was in meinem Kopf vorging.
    Der beißende Geruch des Nagellacks drang mir scharf in die Nase. Diese Warterei zerrte an den Nerven, aber wir konnten uns nicht auf den Weg machen, solange mein Dad nicht im Bett war. Ich ließ meinen Blick schweifen und er blieb an dem Foto von Wendy und meinem Exfreund Ted am Strand hängen, das an meinem Spiegel klebte. Sie sahen glücklich miteinander aus, dort vor dem Sonnenuntergang. Ich rollte mich auf die Seite, sodass ich meine alten Freunde richtig herum sehen konnte. Ich hatte Ted aus meinem Leben gestrichen, als ich hierhergezogen war. Jungs waren manchmal wie Welpen - treu, aber leicht abzulenken. Mir war klar gewesen, dass er schnell jemand anderen finden würde, sobald ich weg war. Und dass er sich ausgerechnet in meine beste Freundin Wendy verliebte, war auch keine große Überraschung gewesen. Ich kniff die Augen zusammen und fragte mich, ob ich da nicht einen Hauch von Blau um Wendy herum sah, der sich mit dem gelblichen Schimmer um Ted mischte. Ihre Auren? Meine Gedanken sprangen zurück zu Josh und unserem ersten Kuss. Und ich lächelte.
    »Glaubst du, Barnabas geht es gut?«, fragte ich Nakita. »Keine Ahnung. Ich kann ihn nicht erreichen«, sagte sie und klang dabei beinahe schnippisch.
    Mann, was ist denn heute nur los mit ihr? Ich drehte mich um und sah, wie sie sich in einem komplizierten Winkel zusammenkrümmte, um ihr Gesicht nah genug an ihre Zehen zu bringen. Das Haar, das ihr auf einer Seite herunterhing, hob ihre perfekten Gesichtszüge hervor. Ihr Amulett schaukelte sanft hin und her, als sie ihre schwarzen Nägel rosa übermalte und ihr wahres Ich verbarg. Ganz ehrlich, sie sah aus wie ein Model. Ich selbst war zu flachbrüstig und jetzt, wo ich tot war, konnte ich wohl bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag auf die Busenfee warten. Super Gefühl, wirklich …
    Nakita wusste, dass ich nicht mit Barnabas in Kontakt treten konnte, aber das bedeutete nicht, dass ich die kommenden Stunden tatenlos

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