Der Tod traegt Turnschuhe
gesagt, dass ich dir nicht nachspioniert habe. Die Seraphim haben ihm das Schicksal zugeteilt, dich heute Nacht zu treffen. Sie haben mich geschickt, um sicherzugehen, dass ihr beide eure Begegnung überlebt.«
Ach, wirklich? Das war … befremdlich. Ich speicherte diese Information und straffte den Rücken. »Und?«, fragte ich.
Hinter ihm saß Sandy ruhig im Regen. Ihr Schwanz starrte bereits vor Dreck, weil sie ununterbrochen damit durch den Schlamm wedelte.
»Na ja, du bist die schwarze Zeitwächterin«, sagte er finster.
»Schwarz heißt aber nicht gleich böse«, erwiderte ich scharf. »Das Licht steht für des Menschen Willen - hell und leicht zu sehen. Die Finsternis des Schicksals sollen nur die Seraphim verstehen.« Ich nahm einen tiefen Atemzug. Er hätte jetzt gehen können, wenn er gewollt hätte - doch er blieb, und das sagte eine Menge über ihn aus. Oder es bedeutete schlicht, dass er noch etwas wollte. »Ich heiße Madison«, sagte ich für den Fall, dass Ron ihm das nicht gesagt hatte.
Er zögerte, dann sagte er vorsichtig: »Mein Name ist Paul.«
»Grace ist der meine, in die Hand nimm die Beine, komm mit dir ins Reine und lass uns alleine. Irgendwie muss man daraus doch ein Gedicht hinbekommen«, schimpfte Grace vor sich hin und schwebte auf und nieder. Alleine, ja, genauso fühlte ich mich. Paul wirkte ein bisschen albern, wie er da so im Regen stand, die Haare klebten ihm in der Stirn und aus seinen Klamotten triefte das Wasser. »Tu mir einen Gefallen«, sagte ich zu ihm. »Sag Ron, er soll sich zurückhalten. Ich versuche, diesen Typen zu retten. Wenn Ron sich einmischt, führt das nur dazu, dass Nakita … ahm, ihr Ding durchzieht«, beendete ich den Satz schnell, um nicht »ihn tötet« sagen zu müssen. »Ob du's glaubst oder nicht, ich glaube genauso an den freien Willen wie du.«
Paul stieß ein bitteres Lachen aus. »Den freien Willen? Schwarze Zeitwächter glauben nicht an den freien Willen.« »Ich weiß«, stöhnte ich. »Aber so ist es nun mal, okay? Ich versuche hier, einen Weg zu finden, wie ich diesen Job machen kann, ohne damit alles zu verraten, woran ich glaube. Gib mir ein bisschen Zeit, ja?« Langsam meldete sich bei mir der Frust und je mehr ich mich aufregte, desto selbstsicherer wurde Paul - auch wenn er patschnass im Regen stand.
Das Wasser lief ihm in den Kragen und er sagte: »Warum sagst du mir nicht einfach, wer das Zielobjekt ist, und wir schicken ihm einen Schutzengel?«
Ich dachte an das, was Nakita vor nur einer Stunde gesagt hatte. Hätte ich Ja gesagt, wenn ich ihr nicht versprochen hätte, es nicht zu tun? »Das ist also dein Vorschlag?
«, fragte ich und wünschte, Barnabas würde sich beeilen. »Ihm einen Schutzengel schicken? Kann man denn noch kurzsichtiger sein? Außerdem, der Typ ist echt fies, Paul. Er wird den Menschen eine ganze Menge Kummer und Schmerz bereiten, nur so zum Spaß. Es sei denn, irgendjemand bringt ihn davon ab.«
»Du hast einen Zeitsprung gemacht«, vermutete er.
»Nein«, erwiderte ich. Es nervte mich, zugeben zu müssen, dass ich den richtigen Zeitwächterkram noch nicht beherrschte. »Die Seraphim haben's mir gesagt.« »Und das glaubst du ihnen?« Sein Gesichtsausdruck war feindselig, als wären die Seraphim die Bösen.
»Sie haben keinen Grund, mich anzulügen.«
Paul aber hörte mir gar nicht mehr zu. Das Quietschen unserer Haustür ließ mich zusammenfahren und ich warf Sandy das letzte Hundeleckerli zu. »Ich versuche, mit ihm zu reden«, sagte ich, als Barnabas und Nakita streitend aus der Tür kamen. »Wenn ich diesem Typen helfen kann, sein Leben zu ändern, dann ordnet das Schicksal vielleicht nicht seinen Tod an. Das ist alles. Mehr will ich gar nicht. Also, meinst du, du kannst Ron überreden, mir eine Chance zu geben? Sobald da ein weißer Todesengel oder die Schwarzflügel auftauchen, werd ich echt Probleme haben, Nakita davon abzuhalten, ihn zu -«
»Töten«, beendete Paul den Satz für mich. Sein Blick war hart. »Jeder hat das Recht, eine Entscheidung zu treffen, ob sie richtig ist oder nicht.«
»Da widerspreche ich dir ja gar nicht«, sagte ich, während Barnabas und Nakita näher kamen. »Aber warum sollte man jemanden eine schlechte Entscheidung treffen lassen, wenn ein paar Informationen ausreichen würden, damit er eine bessere trifft? Wenn man aufwacht und die Vorhänge sind zu, dann ist es schwer, die Sonne zu sehen. Ich will nur die Vorhänge aufziehen, Paul. Aber dafür müsstest du mich
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