Der Tod traegt Turnschuhe
Chance gegeben. Irgendwie gab mir das ein gutes Gefühl. Als hätte ich endlich mal was richtig gemacht.
Nakita blickte von mir zu ihm und wieder zurück. Sie wusste, dass irgendein wortloser Austausch zwischen uns stattgefunden hatte, aber nicht, worum es dabei gegangen war. »Gehen wir jetzt oder nicht?«, fragte sie gedehnt.
»Na klar«, erwiderte ich und Nakita lächelte. Ich glaubte zwar an den freien Willen, aber Shoe einen Schutzengel zu schicken hatte nichts mit freiem Willen zu tun. Es wäre einfach nur ein feiger Rückzieher gewesen.
7
Als ich draußen vor Shoes Fenster kauerte, war ich froh, dass mein Körper nicht echt war, denn sonst hätten mir langsam wirklich die Knie wehgetan. Ich stand auf, stellte mich neben das Fenster und warf einen Blick auf sein ordentlich gemachtes Bett. Neben mir beobachtete Barnabas Shoe, ohne auch nur einmal mit seinen braunen Augen zu blinzeln. Nakita schlenderte durch den Vorgarten und schoss Fotos von Blättern, Bäumen und einem Riss im Bürgersteig. Sie machte mich ganz nervös, auch wenn sie den Blitz ausgeschaltet hatte. Wenigstens regnete es hier nicht. Immerhin etwas.
Während des Fluges war ich wenigstens so weit getrocknet, dass nur noch eine leichte Feuchtigkeit übrig geblieben war. Ich beneidete Barnabas um seine Fähigkeit, auf einen Schlag komplett zu trocknen. Auch Nakitas Jeans und Sandalen waren nicht mehr nass. Ihre Fingernägel schimmerten jetzt in dem gleichen Rosa wie ihre Zehen. Sie war kurz zuvor damit fertig geworden, sich vor lauter Langeweile die Nägel zu lackieren.
»Können wir nicht einfach reingehen und mit ihm reden?«, flüsterte ich, als Nakita wieder in unsere Nähe spaziert kam und ein Foto von einer toten Fliege machte. Langsam hatte ich echt die Nase voll von diesem Versteckspiel. Ich meine, ich sollte diesen Typen schließlich retten und hatte noch nicht mal ein Wort mit i hm gewechselt. Ich hatte zwei Todesengel zu meiner Unterstützung dabei, aber der eine davon war nur mit seinem neuen Spielzeug beschäftigt und der andere steckte zu tief in irgendwelchen uralten Traditionen fest, als dass er irgendetwas Neues ausprobiert hätte.
»Noch eine Minute«, sagte Barnabas nun zum ungefähr sechsten Mal. »Ich will wissen, was er da macht.«
Im Schatten sah Nakita auf ihre Kamera und das Display erhellte ihr Gesicht, als sie brummte: »Er ist einfach ein Typ, der Zeit totschlägt. Zeit, den Typen endlich totzuschlagen.«
Barnabas warf ihr unter seinem Lockenwust hinweg einen finsteren Blick zu und ich seufzte.
Spionieren war echt nicht mein Fall. Ich stand zwischen Gebüsch und Hauswand, strich mir das feuchte Haar hinters Ohr und blickte durch den dunklen Garten. Es war eine schöne Wohngegend — schöner als meine - und ich fragte mich, warum ein Junge, der alles hatte, das Bedürfnis verspürte, das Leben anderer Menschen zu zerstören.
Die Sterne zeichneten sich scharf am Himmel über den Dächern ab und ich machte mir Sorgen, dass Ron auftauchen könnte. Seit wir unseren Garten verlassen hatten, verbarg entweder Barnabas oder Nakita die Resonanz meines Amuletts. Wahrscheinlich sollte ich mir mal die Zeit nehmen und selbst lernen, wie das ging. Es gefiel mir nicht, dass ich mich so sehr auf Barnabas und Nakita verlassen musste.
Schnelles Tastengeklapper ließ mich aufhorchen und ich spähte ins Zimmer, wo Shoe noch immer vor seinem Rechner hockte. Sein Zimmer war kahl, mit weißen Wänden und grauem Teppichboden, der aussah, als gehörte er in eine Arztpraxis. Der Schreibtisch war beängstigend aufgeräumt. Alles war akkurat in Regalen oder Schubladen verstaut. Weder Kleidung noch irgendwelcher anderer Kram lag herum. Sogar das Bett war gemacht. Neben dem Harvard-Banner an der Wand sorgte nur Ace' Kunst für etwas Farbe. Auf dem ordentlichen Schreibtisch lagen ein paar Musik-CDs mit seinen Coverbildern und an der Schranktür klebte ein großes Bild von ein paar fliegenden Adlern mit gefährlich aussehenden Klauen. Vielleicht hatte Shoes Mutter ja was gegen Heftzwecken in der Wand.
Seine Musik war langweilig und ich spielte mit meinen lila Haarspitzen, während ich über dem nichtssagenden New-Age-Stück beinahe einnickte. Einnicken, ich! Dabei hatte ich keinen Schlaf mehr gebraucht, seit ich tot war.
»So was macht ihr bei einer Vollstreckung?«, fragte ich und sah zu Barnabas. »Leuten nachspionieren?«
»Also, ich spür sie einfach auf und streck sie nieder«, sagte Nakita und trat raschelnd durch das
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