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Der Tod traegt Turnschuhe

Der Tod traegt Turnschuhe

Titel: Der Tod traegt Turnschuhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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fielen mir seine Flügel wieder ein. Sie waren nicht mehr da, aber vielleicht befanden sie sich auch nur einen Augenblick vor oder hinter uns in der Zeit. Zwischen dem, was war, und dem, was sein würde? Wenn ich die Augen zusammenkniff, meinte ich fast, sie sehen zu können.
    »Auf einmal ist alles blau geworden«, sagte ich. »Wo sind wir?«
    Barnabas atmete langsam aus und strich sich mit der Hand über die Stirn. »In irgendeinem Auto, keine Ahg, von wem«, sagte er und bewegte die Schultern, als versuchte er, sich zu entspannen. »Es war nicht abgeschlossen. Du hast irgendwas über die Sterne geschluchzt und dich erst beruhigt, als du sie nicht mehr sehen konntest - mehr oder weniger. Madison, was war los mit dir? Du bist ganz plötzlich total steif geworden.«
    Ich fasste mir ins Gesicht und merkte, dass es nass war. Ohne ihm dabei in die Augen zu sehen, wischte ich mir die Wangen ab. »Hast du das vorher noch nie bei jemandem gesehen?«, fragte ich und bemerkte, dass meine Hand zitterte. Die zwei roten Streifen auf meinen Fingernägeln sahen merkwürdig aus. »Bei Ron zum Beispiel?«
    Aus dem Augenwinkel sah ich, wie er den Kopf schüttelte. »Du hast mir so einen Schreck eingejagt, mir standen sämtliche Federn zu Berge. Ich hab noch nie … Ich hab noch nie auch nur gehört, dass … Was ist passiert? «
    Ich konnte nicht sagen, ob ich Hunger hatte oder ob mir gerade schlecht wurde. Ich hatte das Gefühl, seit Wochen nichts mehr gegessen zu haben. Hatte ich ja auch nicht. »Ich glaube, ich hab einen Zeitsprung gemacht «, sagte ich und dachte zur selben Zeit: Soll das etwa mein neuer Job sein? Wie oft genau muss ich so was wohl machen? Ich musste meinen Körper finden, und zwar am besten gestern. »Auf einmal ist alles blau geworden und ich konnte deine Flügel sehen«, redete ich weiter und fühlte mich plötzlich ganz elend.
    Barnabas räusperte sich. »Und was haben die Sterne dir getan?«
    Ich drehte mich zu i hm um und zuckte mit den Schultern. Daran konnte ich mich, ehrlich gesagt, gar nicht mehr erinnern. Es war, als hätte mein Kopf diese Erinnerung blockiert. Vielleicht konnte der menschliche Verstand so viel Schönheit einfach nicht erfassen. »Keine Ahnung«, gestand ich leise. »Aber, Barnabas, ich hab gesehen, wie Shoe den Virus auf eine CD gezogen hat. Ich war er, aber er konnte mich nicht hören, auch nicht, als ich i hm gesagt hab, er soll aufhören. Dann hat sich alles verändert und plötzlich fühlte ich mich super, als ich hörte, dass im Krankenhaus Leute gestorben sind. Der Typ hat doch 'nen Megaschatten! Ich versteh das nicht. Dabei sieht er so normal aus.«
    »Kein Wunder, dass Ron nie über seine Zeitsprünge geredet hat«, sagte Barnabas und in seinen braunen Augen lag Sorge. »Madison, es war wirklich schrecklich. Es war, als wärst du überhaupt nicht mehr bei dir. Und ich dachte, wenn ich dich loslasse, würdest du einfach …
    verschwinden. Als hättest du keinen Anker, der dich zurückholen würde - weil du tot bist. Madison, es war nicht dein Amulett, das dich gerade an die Zeitlinien gebunden hat. Ich war das.«
    Mir wurde kalt. »Waren Schwarzflügel da?«
    Er schüttelte den Kopf, doch der Ausdruck in seinen Augen machte mir Angst. »Nein. Aber ich hatte das Gefühl, wenn ich dich losgelassen hätte, wärst du weg gewesen«, sagte er. »Ich soll doch auf dich aufpassen.
    Ich hatte noch nie solche Angst.«
    Seine Lippen bewegten sich lautlos, als er nach Worten suchte, und ich schwöre, wenn ich ein Herz gehabt hätte, wäre es kurz stehen geblieben, als ich seinen angstvollen Blick sah. »Und das wird nicht das letzte Mal gewesen sein.«
    Ich schluckte ängstlich und blickte auf die Figur aus der Kindertüte einer Fast-Food-Kette, die auf der Fußmatte lag. Ich war mir nicht sicher, ob ich i hm das mit den Schwarzflügeln glauben sollte. Was, wenn so was passierte, während ich in der Schule war? Die würden mich doch sofort einliefern lassen.
    »Ist schon okay«, seufzte ich schaudernd. »Ich weiß ja jetzt, wie es sich anfühlt. Bevor es losging, wurde das Licht blau. Nächstes Mal muss ich mir dann eben irgendwo ein ruhiges Zimmer oder irgendwas in der Art suchen.«
    »Blau. Wie wenn man sich schneller durch die Zeit bewegt«, sagte Barnabas, den der Gedanke, dass es so was wie eine Vorwarnung geben würde, anscheinend etwas beruhigte.
    Plötzlich kam mir ein Gedanke und ich richtete mich auf. Meine Angst war wie weggeblasen, als ich mir das Haar aus den Augen strich.

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