Der Tod traegt Turnschuhe
Schuhe?«, murmelte ich vor mich hin. Ich sah unter der Bahre nach, doch da war nichts. Hilflos tastete ich nach meinem Amulett. Ich hatte aufgehört, es zu verbergen, als sie das Laken über mich gedeckt hatten. Als sie mich aufgegeben hatten … Das war kein schönes Gefühl gewesen.
Nicht gerade bestgelaunt durchquerte ich den spärlich beleuchteten Raum und griff mir einen Laborkittel von einem Haken hinter dem Schreibtisch. Ich zog ihn über und knöpfte ihn bis oben hin zu, damit man mein zerrissenes T-Shirt und die kaputte Strumpfhose nicht sofort sah. Mein Herz hatte einen kleinen Hüpfer gemacht, während ich da auf dem Tisch lag, worauf sie wieder ganz von vorn angefangen hatten, mich wiederzubeleben. Noch nie war irgendwer so ruppig mit mir umgegangen, aber wenigstens hatten sie mir nicht den BH aufgeschnitten.
»Hey, die gehören mir!«, sagte ich, als ich meine Ohrringe auf dem Schreibtisch liegen sah. Wütend befestigte ich erst den einen, dann den anderen an seinem Platz. Dann ging ich, noch immer barfuß, auf die Doppeltür zu. Ich musste Shoe finden. Verärgert drückte ich die Tür ein Stückchen auf und spähte hinaus. Der Flur war leer. Eine der Neonlampen an der Decke war ausgefallen und eine weitere, ein Stück den Gang hinunter, flackerte nur noch. Es roch nach Bleichmittel. In die andere Richtung sah der Flur genauso aus, bis auf zwei silberne Aufzugtüren ganz am Ende. Mann, ich musste hier dringend raus.
Das Zehenschildchen schleifte über die Fliesen, und ohne langsamer zu werden, beugte ich mich hinunter, riss es ab und warf es auf den Boden. Ich war noch nicht lange »tot«, also war Shoe wahrscheinlich immer noch oben.
Hinter mir erklang die Stimme eines Mannes: »Ma'am? Sie haben da was verloren.«
Ich biss die Zähne zusammen und wirbelte herum. Meine Augen wurden schmal, als ich den Pfleger erkannte, der mich hierhergebracht und dabei erbärmlich schief »Satisfaction« gesummt hatte. Und der mir meine Ohrringe geklaut hatte, daraufhätte ich wetten können. »Was?«, fuhr ich ihn an und war mir plötzlich meiner unbeschuhten Füße und lila Haarspitzen sehr bewusst. Ganz zu schweigen von meinem zerfetzten T-Shirt und der löchrigen Strumpfhose. Als Ärztin konnte ich mich wohl kaum ausgeben, aber vielleicht ja als Laborschwester die einen schlechten Tag hatte.
Überraschung zeichnete sich auf dem pausbäckigen Gesicht des Typen ab. »Oh, tut mir leid«, sagte er, während er, jetzt langsamer, auf mich zukam. »Ich dachte, du wärst eine von den Ärztinnen.« Er blieb stehen und sah zuerst das Zehenschildchen, dann mich, dann die Tür zu seiner Rechten an. Die Flasche Limonade in seiner Hand geriet ins Rutschen. »Äh …«
Verärgert watschelte ich mit meinen nackten Füßen zurück, schnappte mir das Schildchen und stopfte es in die Tasche meines Laborkittels. Dann warf ich ihm noch einen letzten finsteren Blick zu, drehte mich um und machte mich wieder auf den Weg in Richtung der Fahrstühle am Ende des Gangs. Hinter mir hörte ich, wie seine Schuhe nervös über den Boden knarzten.
»Ahm, sag mal, warst du nicht …«, begann der Typ, zögerte aber dann und überlegte noch mal. Ich schaffte es drei Schritte weiter den Gang hinunter, bis er schrie: »Hey!«
Ich drehte mich nicht um, aber jeder einzelne Muskel in meinem Körper war angespannt, als ich auf die Fahrstuhltaste schlug. Die Türen glitten beinahe im selben Moment auf, doch ich blieb wie angewurzelt stehen, denn plötzlich starrte Shoe zu mir heraus. Sein Blick flog hinter mich und es überraschte mich kein bisschen, als der Krankenhaustyp schrie: »Hey, ihr da! Wartet mal!«
Shoes Augen weiteten sich, als er meinen Laborkittel und mein wütendes Gesicht sah. Er wich zurück und fragte: »Ahm, alles in Ordnung mit dir?«
»Kannst du mir eine Besenkammer suchen?«, brummte ich und er schoss aus dem Lift.
Ich versteifte mich, als der Pfleger keuchend und prustend hinter mir zum Stehen kam. Ich hatte die Nase voll. Schlimm genug, wie die hier mit toten Menschen umgingen. Das Letzte, wonach mir jetzt der Sinn stand, war, mich von diesem Typen mit Fragen löchern zu lassen, warum ich hier quicklebendig rumspazierte.
»Hast du ein Problem?«, fragte ich kampflustig und drehte mich zu ihm um. Hinter i hm hatte Shoe eine winzige Kammer aufgetan, in der sich ein Eimer auf Rädern und ein Mopp befanden. Ich stieß dem Typen fast meinen ausgestreckten Zeigefinger unter die Nase und zwang ihn zurückzuweichen.
»Du bist
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