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Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Titel: Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Niedlich
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sie mir hinterher, als ich schon ein paar Treppen weiter unten war. Ich nickte ihr ein letztes Mal zu. „Ich dich übrigens auch“, schickte sie hinterher.
    ***
    Nachdem ich in meinen Flur daheim gesprungen war und meine Jacke und Schuhe abgelegt hatte, sah ich, dass Tod es sich bereits auf der Couch bequem gemacht hatte.
    „Du suchst schon mal den Film raus, ich mache uns noch was zu essen“, rief ich ihm zu und verschwand in der Küche.
    Als ich mit einer Riesenschüssel überbackener Nachos zurückkam, schaltete Thanatos den DVD-Player ein.
    „Mit dem Haufen Käse und all dem Fett ist ein Herzanfall bei dir aber auch nur eine Frage der Zeit“, sagte er.
    Ich riss mir ein großes Stück mit viel Käse ab und schob es mir in den Mund. „Ist ja nicht so, als ob es jetzt noch viel ausmachen würde, oder?“, mampfte ich und drückte auf Play. „Die Verurteilten“ lief. Ein großartiger Film über eine großartige Freundschaft.

Kapitel 53
    Da sitze ich nun auf der Bank im Lustgarten und beobachte die Leute. Die Frau, die gerade ihr Kind stillte und an Brustkrebs sterben wird. Den Frisbeespieler, der das nächste Jahr nicht mehr erleben wird. Die Frau, die von ihrem Freund mit Aids angesteckt wird, weswegen dieser sich vor die U-Bahn wirft.
    Tod setzt sich neben mich auf die Bank, und ich bin gleichzeitig nervös und erfreut, ihn zu sehen. Ein Schmetterling fliegt vorbei, aber es ist tatsächlich nur ein Schmetterling. Und Thanatos pfeift „Ob-La-Di, Ob-La-Da“.
    „Lass uns ein wenig spazieren gehen“, sagt er zu mir.
    „Sonst klappt das mit dem Unfall nicht, oder?“, frage ich ihn. Es ist mehr eine rhetorische Frage. Er tut so, als wüsste er von nichts.
    Wir gehen über den Kies in Richtung Schlossbrücke mit ihren Götter- und Engelfiguren. Eine leichte Brise kommt auf.
    „Ein guter Tag zum Sterben“, sage ich.
    „Findest du es adäquat, für deine letzten Worte aus 80er-Jahre-Hollywood-Filmen zu zitieren?“, fragt mich Tod.
    „Wahrscheinlich kommt es nicht drauf an“, erwidere ich, „immerhin wird die ja kaum jemand aufschreiben und in einem Buch herausbringen.“
    Tod nickt. „Vermutlich nicht.“
    „Weißt du“, schiebe ich nach, „ich frage mich, ob ich heute wirklich sterben würde, wenn ich dich nie gekannt hätte.“
    „Jetzt bin ich gespannt.“
    „Na ja, ich frage mich halt, ob ich heute überhaupt hier wäre, wenn wir uns nicht hier verabredet hätten, weil ich ja weiß, dass ich hier heute sterben werde.“
    Tod schaut mich verdutzt an.
    „Wenn ich dich nie getroffen hätte, wäre ich vielleicht gerade im Urlaub und ganz woanders.“
    Tod denkt einen Moment nach. „Aber wahrscheinlich würdest du dann dort irgendwo sterben.“
    „Wahrscheinlich oder vielleicht? Ich glaube, dass ich genug Leute gerettet habe, um das Letztere anzunehmen.“
    Tod rollt mit den Augen. „Mach, was dir beliebt. Ich werde dich dahingehend nicht mehr beeinflussen.“
    „Alles, was ich sagen will“, versuche ich ihn zu beschwichtigen, „ist, dass mir das alles wie eine selbsterfüllende Prophezeiung vorkommt.“
    Wir haben die Brücke erreicht und laufen nun nach Westen in Richtung Unter den Linden.
    „Das klingt schon wieder zu sehr nach deinen Science-Fiction-Filmen“, entgegnet er ein wenig zu nachdenklich.
    „Vielleicht suche ich einfach nur nach einem Sinn“, sage ich. „Ich war 34 Jahre auf dieser Welt und habe das Gefühl, es war für nichts. Ich rede mir ein, dass ich bereit dafür bin, aber bin ich es wirklich?“
    „Niemand ist je dafür wirklich bereit. Aber ich dachte, dass du zumindest deinen Frieden damit gemacht hättest.“
    „Ich habe mich lang genug darauf vorbereiten können, denke ich.“
    „Über die Jahre habe ich gelernt, den Tod, also mich, als notwendiges Übel zu sehen. Wo kämen wir hin, wenn keiner mehr stürbe?“
    „Es gibt manchmal so Momente, wo mir klar wird, wie lange du dich schon rumtreibst. ‚Stürbe‘ klingt irgendwie altmodisch.“
    „Korrekte Grammatik ist nicht altmodisch. Sie stirbt nur aus“, sagt er, und wir beide lächeln.
    „Aber im Ernst“, ergänzt er, „eine Welt ohne Tod würde einfach nicht funktionieren. Den Leuten würde schlicht der Antrieb fehlen.“
    „Ich hätte eher die Überbevölkerung als Problem gesehen“, schiebe ich dazwischen.
    „Sicher auch ein valider Punkt. Aber wozu sollte irgendwer irgendwas tun, wenn ihn die Zeit nicht drängt? Was hielte sie davon ab, es nicht erst in hundert Jahren zu

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