Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Titel: Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Niedlich
Vom Netzwerk:
Preußisch der Name, preußisch die Einstellung. Viele der Lehrer waren recht konservativ in ihrem Weltbild und versuchten, das auch an die Schüler weiterzugeben. Viele, aber nicht alle. Bei einigen fragte man sich, ob sie nicht lieber daheim bleiben würden, um sich einen Joint nach dem anderen reinzuziehen.
    Jedenfalls begann im Spätsommer 1987 mein neuer Lebensabschnitt auf der Oberschule, zusammen mit einer Handvoll Klassenkameraden meiner Grundschule und auch einigen der Mitschüler meiner alten Schule. Hatte ich mich daran gewöhnt, nicht mehr auf meine Vergangenheit angesprochen zu werden, so merkte ich nun doch an den Blicken meiner alten Mitstreiter, dass es nicht vergessen war. All die Selbstsicherheit, die ich mir die letzten paar Jahre aufgebaut hatte, fing nun an zu bröckeln. Wie schon in der Grundschule tendierte ich nun dazu, mich möglichst unauffällig zu verhalten, was auch bedeutete, dass ich im Unterricht nicht so viel mitmachte, wie ich vielleicht gekonnt hätte. Meine Zensuren waren entsprechend. Und Unauffälligkeit hilft ebenfalls nicht, wenn man gerade beginnt, das andere Geschlecht interessant zu finden.
    ***
    Es ist schwer festzulegen, ab welchem Alter aus kleinen Jungs, die nicht recht wissen, was sie mit kleinen Mädchen anfangen sollen, große Jungs werden, die nicht wissen, was sie mit großen Mädchen anfangen sollen. Ich meine, instinktiv hat schon jeder irgendwie eine Ahnung, was man mit den Mädchen machen kann, aber von einem Tag auf den nächsten gab es da diese Hürde, die es echt kompliziert machte, mit ihnen auch nur zu reden. In gewisser Weise wurden also aus großen Jungs wieder kleine Jungs, nur weil sie mit großen Mädchen sprechen wollten.
    Im Grunde konnte man die Mädchen in drei Kategorien einteilen. Da gab es zum einen die Kicher-Fraktion. Das waren Mädchen, die ständig blöd kicherten, so dass ich mit ihnen ohnehin nicht ins Gespräch kam, weil ich mir nie sicher war, ob sie über mich lachten oder selbst einen an der Waffel hatten.
    Zur zweiten Kategorie zählten die ernsten Mädchen, die mir immer so vorkamen, als wären sie in ihrer geistigen (und meist auch körperlichen) Entwicklung viel weiter als ich. Bei manchen von ihnen hatte ich den Eindruck, dass sie mich ständig taxierten und abwägten, ob ich denn würdig sei, mit ihnen zu sprechen. Tatsächlich habe ich mal ein Mädchen aus meiner Klasse zu jemandem sagen hören, dass er zu unreif sei, um mit ihr zu gehen. Wobei, wenn ich es recht überlege, derjenige gerne versaute Kreidemännchen in der Pause auf die Tafel malte, die dann manche Lehrerin mit hochrotem Kopf abwischen musste. Es hat die Klasse unterhalten, aber sonderlich „reif“ war das nicht gerade.
    In die dritte Kategorie fielen die Mädchen, die sich stinknormal anzogen, nichts Besonderes taten und unter- bis mitteldurchschnittlich aussahen. Bei diesen kam es unter Umständen vor, dass sie der Wahrnehmung völlig entgingen. Bei einer Anwesenheitskontrolle musste ich feststellen, dass ich den Namen des Mädchens, welches zwei Jahre lang zwei Plätze von mir entfernt gesessen hatte, bisher gar nicht kannte.
    Ich bin mir ziemlich sicher, dass man das männliche Geschlecht an einer Oberschule auf ähnliche Art und Weise einteilen kann. Hätte man mich in eine von diesen Schubladen gesteckt, so hätte ich zu dieser Zeit mit Sicherheit in die dritte Kategorie gehört. Anja hingegen in die zweite.
    ***
    Anja war sehr intelligent und wirkte viel älter, als sie eigentlich war. Sie gehörte eher zu den ernsten, mysteriösen Mädchen, war aber guten Witzen nicht abgeneigt und hatte ein strahlendes Lächeln. Dieses brachte mich mehr als einmal dazu, im Unterricht laut zu seufzen, während ich einem Tagtraum von ihr nachhing. Diese Tagträume wiederum hielten mich davon ab, dem Unterricht zu folgen, was meinem ohnehin moderaten Notenspiegel noch zusätzlich belastete. Meine Mitschüler und -schülerinnen quittierten das nur mit Augenrollen. Anja hingegen nahm nicht die geringste Notiz von mir.
    Während der ersten eineinhalb Jahre auf der Oberschule, lief eine typische Konversation zwischen uns ungefähr so ab:
    Ich (nervös): „Hi.“
    Sie (unbewegt): „Hi.“
    Während ich versuchte, mich irgendwie selbst dazu zu bewegen, mehr als ein Stammeln hervorzubringen, hatten andere weniger mit sich zu kämpfen. Kurz vor Ende des ersten Schuljahrs am Gymnasium wurden Anja und Frank, der ebenfalls in meiner Klasse war, ein Paar.
    Frank war ein recht

Weitere Kostenlose Bücher