Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens
lustiger und eigentlich auch netter Typ, den ich trotzdem eher in die Kategorie der Albernen und Unreifen eingestuft hätte, welche mit Anjas Kategorie überhaupt nicht kompatibel schien. Meine Hoffnung war immer, dass sie sich irgendwann mal in die Haare kriegen würden, aber im Gegensatz zu allen anderen Schülern hielt ihre Beziehung nicht nur Wochen, sondern Monate. Und aus den Monaten sollten Jahre werden. Sie schienen sich tatsächlich gesucht und gefunden zu haben.
Wegen seiner Beziehung zu Anja wünschte ich ihm die Pest an den Hals, dabei war er völlig okay und eigentlich viel zu cool für unseren Jahrgang. Als einziger Typ der ganzen Klasse musste er sich regelmäßig rasieren, und das bereits, als er 13 Jahre alt war. Mit 15 sah er dann praktisch aus, als wäre er erwachsen, was uns andere Jungs nur noch mehr wie Milchbubis erscheinen ließ. Hatte er den verwegenen Drei-Tage-Bart-Look von Indiana Jones, sahen meine Versuche in Richtung Gesichtsbehaarung so aus, als hätte ich mir Haarreste vom Friseur ins Gesicht geklebt. Er sah aus wie ein richtiger Kerl, hielt sich ziemlich gut in der Schule und war auch noch im Sport erfolgreich. Also eigentlich eine Person, die es gar nicht geben sollte.
Kurz vor meinem 15. Geburtstag meinten meine Eltern, dass ich zu viel Zeit daheim verbringen würde. Sie fanden, dass „Fernsehserien schauen“ kein adäquates Hobby für mich sei. Zudem hatte ich etwas Speck angesetzt. Also sollte ich Sport machen und nach einem Besuch beim Steuerberater, der eine Info-Broschüre der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft, kurz DLRG, herumzuliegen hatte, fragten sie mich, ob ich nicht Rettungsschwimmer werden wollte. Ich war zwar erst skeptisch, aber in Anbetracht der Tatsache, dass ich damit eventuell Eindruck auf Anja schinden könnte, änderte ich meine Meinung recht schnell. So wurde Anja indirekt der Grund, dass ich dem Tod wieder über den Weg lief.
Kapitel 7
Als chronischer Sportmuffel hatte ich nicht im Geringsten damit gerechnet, dass mir die Ausbildung zum Rettungsschwimmer gefallen würde. Ich hatte sogar Spaß. Das soll keineswegs heißen, dass es nicht anstrengend war – das war es –, aber hier hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass Sport einen Sinn hatte. Sicher, ich musste zum Teil Dinge tun, die mir zunächst idiotisch vorkamen, wie z.B. 100 Meter in Kleidung schwimmen oder einen sogenannten Rettungssprung ausführen, der in etwa so aussah, als würde man einen Bauchklatscher machen und hätte dabei einen epileptischen Anfall. Aber das Schwimmen der 100 Meter in Kleidung bereitete mich darauf vor, tatsächlich mal ins Wasser zu springen und jemanden zu retten, wenn ich zufällig nicht in Badehose durch die Gegend lief. In den Klamotten fühlte ich mich wirklich wie der buchstäbliche nasse Sack. Der Rettungssprung, so dämlich er auch aussah, half dabei, die verunglückte Person während des Sprungs ins Wasser nicht aus den Augen zu verlieren. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich wirklich voll beim Sport dabei und überlegte nicht ständig, wie lange ich den Mist noch machen müsste.
Ein weiterer, nicht unwichtiger Teil der Ausbildung war der theoretische. Ich lernte eine ganze Menge über Biologie, was mir später in der Schule, ganz zu schweigen vom Beruf, half. Für die Herz-Lungen-Wiederbelebung gab es einen Plastiktorso, der einer Frau nachgebildet war, was man aber lediglich am Haarschnitt, nicht am Busen erraten konnte. Insofern hätte es sich also auch um die Nachbildung eines Mannes mit fragwürdigem Geschmack handeln können.
Ungefähr ein halbes Jahr fuhr ich jeden Dienstagabend in die Schwimmhalle, lernte und hatte Spaß. Dann nahm mich mein Ausbilder mit auf die Wasserrettungsstation, auf der er ehrenamtlich an den Wochenenden Dienst tat. Ich war sofort Feuer und Flamme.
Nachdem ich meine Prüfung abgelegt hatte, begann ich ebenfalls Dienst auf der Wasserrettungsstation Bürgerablage im äußersten Norden von Spandau zu schieben. In der Schule sagte ich über mein Engagement bei der DLRG zunächst nichts. Ich war zwar Rettungsschwimmer, aber Rettungsschwimmer zu sein macht einen noch nicht zum Helden, der von den Frauen angeschmachtet wird. Vor meinem geistigen Auge sah ich mich schon Kinder und schöne Mädchen aus dem Wasser ziehen, die möglichst bei mir an der Schule waren und dann herumerzählten, was ich getan hatte. Irgendwann käme das dann Anja zu Ohren, sie würde Frank den Laufpass geben und mit mir über den Schulhof laufen,
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