Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens
schüttelten mit dem Kopf.
„Der Typ ist also tot?“
„Was glaubst du, warum ich hier bin? Wenn die da nicht in die andere Richtung schwimmen würden, dann hätten sie ihn schon längst gefunden. Dabei wäre etwas weniger Arbeit heute schön gewesen. Auf den Philippinen habe ich heute schon die Leute en gros holen müssen. Oh, schau mal …“
Etwas, das wie eine runzelige Motte aussah, kam an die Wasseroberfläche, schüttelte sich und machte Anstalten davonzufliegen. Das Viech hatte etwas Ekliges an sich. Tod schwang seinen Kescher und hatte die Motte sofort gefangen.
„Ich würde ja gern noch schwatzen, aber auf den Philippinen gibt es einiges zu tun. Ich schaue die Tage mal vorbei.“
„Aber, das kann doch nicht …“
„Junge, du glaubst immer noch, dass du verrückt bist? Gut, tauch einfach genau hier runter und hol dir den Beweis, dass es nicht so ist. Wir sehen uns.“
Er ging ein paar Schritte über das Wasser und war dann urplötzlich verschwunden. Die Taucherkette war mittlerweile etliche Meter entfernt. Ich schaute mich nach den Leuten um, die in den Booten geblieben waren. Einige sahen mich immer noch skeptisch an. Dann holte ich tief Luft und tauchte ab.
***
Die Sicht unter Wasser war praktisch null. Nach etwa vier Metern stieß ich auf den Grund. Ich schwamm nicht drauflos, sondern tastete nach allen Seiten. Nach ein paar Sekunden fühlte ich etwas Weiches. Ich hatte den Arm des Ertrunkenen in der Hand und einen dicken Klumpen Steine in meinem Magen, wobei das nicht wörtlich zu nehmen ist. Ich griff nach dem zweiten Arm, stieß mich vom Boden ab und zog die leblose Masse mit.
Mein Kopf stieß durch die Wasseroberfläche, und meine Lungen füllten sich mit köstlicher Luft, die mir fast ausgeblieben war. Ich strampelte wie wild, um mich über Wasser zu halten. Andreas starrte mich mit mürrischem Gesichtsausdruck von unserem Boot aus an, wunderte sich darüber, dass ich so keuchte und meinte: „Was zum Teufel, Mann?“
Es gelang mir mit Mühe, den Mann nach oben zu holen, und sobald meine Kameraden gesehen hatten, dass ich ihn hatte, war die Hölle los. Ein paar der Schwimmer aus der Taucherkette kamen herüber und assistierten mir dabei, den Typen in ein Boot zu heben. Es war zwar nicht unseres, aber das war in dem Moment egal. Ich schwamm zurück, und Andreas half mir, als ich mich über die Seite quälte. Die Bergung des Körpers hatte mich mehr Kraft gekostet, als ich gedacht hatte.
„Mann, das war ja Wahnsinn. Woher hast du gewusst, dass du da tauchen musst, um den zu finden?“
„Ich weiß nicht, ich hatte einfach so ein Gefühl“, log ich.
„Wenn du so ein Gefühl auch beim Lottospielen hast, dann lass es mich wissen, Mann.“
Ich beobachtete, wie die Kameraden von den anderen Stationen versuchten, den Leichnam zu reanimieren. Es war allen klar, dass die Chancen schlecht standen, ihn wieder zu Bewusstsein zu bekommen, aber nur ich hatte die Gewissheit, dass es garantiert nichts werden würde. Die anderen Boote, die an dem Kahn festgemacht hatten, legten ab, damit man den Ertrunkenen so schnell wie möglich ans Ufer und somit zum dort wartenden Rettungswagen bringen konnte.
Nach und nach kamen auch meine anderen Stationskameraden wieder ins Boot, und wir machten uns auf den Rückweg. Der Einsatzleiter wollte uns zurückhalten, um noch eine Nachbesprechung durchzuführen, aber ich sagte Andreas, dass ich so schnell wie möglich zurück wollte. Er schlug dem Einsatzleiter vor, die Besprechung später nachzuholen, damit sich die Schwimmer auf den jeweiligen Stationen wieder aufwärmen konnten. Zwar herrschten an dem Sommertag angenehme Temperaturen, aber die Ausrede wirkte. Ich bedankte mich bei Andreas, der lediglich abwinkte.
„Alles klar mit dir?“
„Sicher“, war meine knappe Antwort.
„Sieht aber nicht so aus, Mann.“
„Wirklich, mir geht’s gut. Ich klappe nicht gleich zusammen oder so was. Ist trotzdem ’n komisches Gefühl, ’nen Typen aus dem Wasser zu ziehen.“
„Kann ich mir vorstellen, Mann.“
Andreas gab per Funk durch, dass wir auf dem Heimweg waren. Die anderen beglückwünschten mich, zeigten mit dem Daumen nach oben oder nickten einfach nur und begannen sich wieder anzuziehen. Ich blieb, mit meinem Handtuch umwickelt, auf dem Boden des Bootes sitzen. Während die anderen darüber sprachen, wie cool doch die ganze Aktion gewesen sei, blieb ich ruhig und hing meinen Gedanken nach.
***
Jemand vom Funkraum aus dem Landesverband der DLRG
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