Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens
nicht, ob ich mit etwas verköstigt werden will, was sich Knabberzeug nennt.“
Darauf wusste ich nichts zu erwidern und stopfte mir stattdessen ein paar Chips in den Mund.
„Deine Stube hat sich verändert“, sagte Tod.
„Hast du erwartet, dass ich immer noch mit ,Star Wars‘-Figuren spiele?“, fragte ich. Dann fiel mein Blick auf das „Star Wars“-Poster an der Wand, und ich wünschte mir, ich hätte ein besseres Beispiel gewählt.
„Womit verbringst du denn jetzt deine Zeit, wenn du nicht gerade Leichen aus dem Wasser birgst?“
Ich erzählte ihm von der Schule, der DLRG und allem, was sich in den letzten Jahren zugetragen hatte. Seine Geschichten drehten sich hauptsächlich um die vielen Leute, die er getroffen hatte, welche aber hinterher nicht mehr darüber berichten konnten.
Letztendlich berichtete ich ihm von Anja und Conny. Er runzelte die Stirn.
„Du hast zwei Weiber?“
„Ich habe … nenne sie nicht Weiber. Das ist nicht cool.“
„Cool?“
„Ich meine … das ist nicht in Ordnung.“
„Cool“, Tod schien über das Wort nachzugrübeln.
„Ich habe keine Weiber. Ich bin in die eine verliebt, aber sie nicht in mich. Die andere ist, glaube ich, in mich verliebt, aber ich weiß nicht, ob ich das erwidern kann.“
„Cool“, sagte Tod.
„Äh“, stammelte ich.
„Willst du denn die eine freien, obwohl du sie nicht liebst?“
Ich verstand nicht, was Tod sagen wollte. „Freien?“
„Um ihre Hand anhalten.“
„Sie heiraten? Um Himmels willen, nein!“
„Was regst du dich so auf?“, fragte Tod, „Du bist doch im besten Mannesalter.“
„Ich bin 17 Jahre alt. Das mit dem Heiraten kann noch eine Weile warten.“
„In deinem Alter hatte man früher schon zwei Kinder“, sagte Tod. „Aber ich verstehe, du willst dir die Hörner abstoßen.“ Er nickte wissend.
Mich überkam das Gefühl, dass mir Tod bei meinen Beziehungsproblemen keine große Hilfe sein würde.
„Vergiss einfach, was ich gesagt habe“, sprach ich und wollte das Kapitel abhaken.
„Cool.“
Wir verbrachten noch ein paar Minuten damit, über dieses und jenes zu reden, bevor ich wirklich zu Bett musste. Tod verabschiedete sich und ließ erneut wochenlang auf sich warten.
Im Spätsommer hatte mich Conny zu ihrer Geburtstagsfeier eingeladen. Sie fand bei ihr daheim statt, was für mich eine kleine Weltreise nach Kladow in Süd-Spandau bedeutete. Es waren etliche ihrer Schulfreundinnen anwesend, ein paar Mitschüler und jemand, den sie wohl noch von früher kannte und an dessen Namen ich mich nicht im Geringsten erinnern kann. Von der Station war ich der Einzige. Kurz gesagt: Ich kam mir unheimlich fehl am Platz vor. Es half auch nicht, dass ein paar der Mädchen gelegentlich zu mir herüberschielten und tuschelten.
Den ganzen Abend versuchte ich, mich in die Gespräche der Leute einzuklinken, was mir nur geringfügig gelang. Als dann irgendwann die Mädchen anfingen zu tanzen, war das wie ein Signal für die männlichen Anwesenden, sich auf der Couch festzuketten. Alle bis auf einen. Der Typ, den Cornelia von früher kannte, tanzte mit den Mädels und besonders häufig mit ihr. Alles, was ich tun konnte, war, zu ihr herüberzustarren und nervös zu werden.
Was in mir aufkeimte, war Eifersucht, und das, obwohl ich noch nicht einmal genau wusste, ob ich mich in sie verliebt hatte. Aber in diesem Moment war ich sehr verwirrt. Ich wollte sagen können, dass sie meine Freundin ist und er gefälligst nicht mit ihr zu tanzen hätte. Aber da gab es diesen imaginären Sandsack, der meinen Hintern auf die Couch gedrückt hielt.
Irgendwann war es mir zu viel. Ich stand auf und ging zu Conny hinüber. Erwartungsvoll schaute sie mich an.
„Ich … entschuldige … ich … morgen … also … ich muss los“, stammelte ich ihr entgegen.
„Du willst schon gehen?“ Sie hörte auf zu tanzen und nahm mich beiseite. Wir gingen in den Flur, wo wir ungestört waren.
„Tut mir leid, aber ich muss morgen früh raus. Meine Eltern wollen auf den Trödelmarkt, und ich soll ihnen helfen. Und die Busfahrt dauert ja auch noch.“
Was ich sagte, war nur halb gelogen, klang aber trotzdem wie eine Neudefinition der lahmen Ausrede. Meine Eltern wollten tatsächlich auf den Trödelmarkt gehen, hätten aber vermutlich nichts dagegen gehabt, wenn ich erst später nachgekommen wäre. Die Wahrheit war, dass ich es auf der Feier einfach nicht mehr aushielt. Ich kam mir vor wie der letzte Idiot und wollte nur noch
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