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Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Titel: Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Niedlich
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war so freundlich mitzudenken und hatte auf Bürgerablage angerufen, um Bescheid zu geben, dass wir wieder auf dem Rückweg waren. Als wir auf der Station ankamen, stand frischer Kaffee und Tee in der Küche, und die anderen Kameraden begrüßten uns und fragten, wie es war. Während die anderen noch erzählten, schwang ich mich unter die Dusche.
    Das warme Wasser half mir nicht, mich von den Gedanken an Tod oder den Toten abzulenken. Länger als nötig stand ich einfach unter dem Wasserstrahl und starrte die Wand an. Schließlich seifte ich mich ein. Als ich gerade das Shampoo aus meinen Haaren gewaschen hatte und aus der Kabine trat, stand Tod vor mir.
    „Guten Tag.“
    Ich zuckte zusammen. Da ich völlig nackt war, griff ich instinktiv nach dem Handtuch und hielt es vor meine privaten Teile, die, wenn es nach mir ging, auch lieber privat bleiben sollten.
    „Du brauchst dich nicht zu bedecken. Vor dem Tod sind alle gleich.“ Er schmunzelte.
    „Du hast mich fast zu Tode erschreckt.“
    „Nein, DAS hätte ich vorher gewusst.“ Er grinste weiterhin. „Das Wasser war ziemlich kalt, was?“
    Ich stutzte, bis ich begriff, was er meinte.
    „Nicht witzig!“, entgegnete ich.
    „Ich fand den Anblick schon witzig.“
    „Danke, das ist sehr aufbauend.“
    „Keine Ursache.“
    Einen Moment lang standen wir uns beide gegenüber. Keiner sprach, wir starrten uns nur an.
    „Wolltest du dich nicht anziehen?“
    „Ich bevorzuge, das zu tun, wenn mir dabei keiner auf den Schniedel starrt.“
    Er rollte mit den Augen und drehte sich um. Schnell griff ich nach der trockenen Badehose, die ich bereitgelegt hatte, und zog sie mir über.
    „Fertig?“
    „Ja.“
    Er drehte sich wieder um.
    „Du bist ein wenig empfindlich.“
    „Entschuldige bitte, aber ich finde es etwas beunruhigend, wenn ich nackt vor dem Tod stehen muss.“
    „Okay, okay. Zumindest scheinst du dich wieder daran gewöhnt zu haben, dass ich kein Produkt deiner Einbildung bin.“
    „Mir wäre es fast lieber gewesen, wenn es so gewesen wäre.“
    „Oh, das verletzt mich jetzt aber.“ Der sarkastische Tonfall war unüberhörbar.
    „Ich hatte mich gerade damit abgefunden, dass ich wieder einigermaßen normal war.“
    „Oh, normal, das bist du mit Sicherheit nicht.“
    „Nur weil ich den Tod sehe?“
    „Na ja, das ist doch immerhin schon ein ganz wesentlicher Punkt, findest du nicht?“
    Mir fiel nicht ein, was ich dagegen hätte sagen können. Tod wartete gar nicht auf meine Antwort.
    „Eigentlich wollte ich nur noch mal schnell vorbeischauen und fragen, ob wir nicht mal wieder eine Partie Schach spielen wollen. Ich habe das schon eine ganze Weile vermisst, weißt du.“
    Ich zögerte. Jemand hämmerte an die Badezimmertür und rief, ob ich noch lange da drinnen brauchen würde.
    „Komme gleich. Moment noch.“
    Tod rotierte mit einer Hand, so als erwarte er jetzt endlich eine Antwort.
    „Warum eigentlich nicht? Klar. Komm mal wieder vorbei.“
    Tod freute sich sichtlich. „Soll ich ein paar Spezereien mitbringen?“
    „Was?“
    „Irgendwelche Leckereien für zwischendurch. Chips oder wie sich diese neumodische Kost nennt?“
    „Äh, ja. Okay.“
    „Gut. Ich muss auch wieder los. Heute ist erstaunlich viel zu tun.“ Sein Blick nahm überraschend ernste Züge an.
    „Du hast vorhin schon was in die Richtung gesagt. Was ist denn los?“
    „Vulkanausbruch auf den Philippinen. Da haben eine ganze Menge Leute heute einen echt beschissenen Tag. Tirili!“
    Und schon war Tod wieder verschwunden und doch wieder in meinem Leben. Erneut hämmerte es an der Tür.
    „Ja, ist ja gut.“
    Ich ging hinaus.

Kapitel 9
    Die Zeitungen berichteten von dem Ertrunkenen und davon, dass die DLRG den Mann gefunden hatte. Mein Name fiel dabei nicht, aber irgendwie machte mir das nicht das Geringste aus. Selbst wenn es mir möglich gewesen wäre, den Mann zu retten, hätte ich nicht in der Zeitung erscheinen wollen. Vielleicht wollte ich auch nicht mit dem Mann in Verbindung gebracht werden, da ich ihm nicht hatte helfen können. Vielleicht war ich auch erwachsen geworden, weil ich endlich erkannte, dass der Dienst auf der Station nicht nur lustig oder „heldenhaft“ war. Vielleicht hatte mich die Begegnung mit Tod so aus dem Tritt gebracht, dass ich einfach keinen klaren Gedanken fassen konnte. Vielleicht alles davon. Ich weiß es nicht. Meine Warhol’schen fünfzehn Minuten Ruhm hatte ich, wenn auch nur unter meinen Kameraden, aber das war genug. Ich erwartete

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