Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens
breiten feuchten Pinselstrichen das Innere des Royal Palastes am Kudamm auf die frisch befreiten Wände zu malen. Gleichzeitig war es, als ob jemand mein Inneres nach außen stülpen würde.
„Da wären wir“, sagte Thanatos.
Als Antwort übergab ich mich in den nächsten Mülleimer.
„Was zum Teufel …“, stöhnte ich.
Tod grinste nur. „Man gewöhnt sich dran.“
Als Bestätigung kotzte ich erneut in denselben Eimer. Eine Frau, die vorbeiging, schaute mich an, als hätte ich nicht den Eimer, sondern sie getroffen. Schließlich kam auch noch einer der Aufseher vom Kino zu mir und fragte nach meinem Wohlbefinden. Ich entgegnete, dass es mir schon wieder besser gehe und dass es mir leidtue. Als der Mann mit dem Eimer beschäftigt war, huschten Tod und ich, ohne zu bezahlen, in den Saal und suchten uns Plätze. Wir hatten relativ viel Auswahl, gingen aber gezielt zum Rand, da uns dort weniger Leute stören würden.
„Meine Fresse. Das heutige Essen war mal für’n Arsch“, sagte ich und wischte mir mit einem Taschentuch die Mundwinkel ab.
„Dein Arsch sitzt an einer ungewöhnlichen Stelle“, sagte Tod und deutete auf meinen Kopf. Die Vorhänge gingen auf, und das Licht wurde gedimmt.
Die Trailerauswahl vor dem Film war recht sonderbar. Zum einen wurde Werbung für Filme wie „Die Liebenden von Pont-Neuf“ gemacht, aber gleich hinterher folgten „Batman’s Rückkehr“ und „Otto der Liebesfilm“. Schließlich kam die Langnese-Werbung mit dem Song „Like Ice In The Sunshine“, woraufhin zwei Leute mit einer Kühltasche durch den Saal liefen, um einem überteuertes Eis anzudrehen.
„Einmal Eiskonfekt“, sagte Tod.
„Was?“
„Ich nehme einmal Eiskonfekt.“
„Kauf es dir doch selber“, sagte ich. Tod bedachte mich mit einem Blick, der so viel wie „Ist das jetzt wirklich dein Ernst?“ bedeutete. Mir wurde bewusst, wie dumm meine Aussage war, winkte den Typen herbei und kaufte für drei Mark das Eis.
„Danke“, sagte Tod und machte sich darüber her.
„Sicher“, antwortete ich, und der Eisverkäufer, der noch neben mir stand, warf mir einen verwirrten Blick zu. Ich winkte ihm, dass alles okay sei.
Mir war immer noch übel von dem plötzlichen Transport, aber als der Film begann, hatte ich mich wieder gefangen. Derweil hatte Tod schon das ganze Eis aufgegessen.
„Du hast mir nicht mal ein kleines Stück übrig gelassen?“
„Ich dachte, dir ist schlecht.“
„Es geht mir wieder besser. Aber vielen Dank für die freundschaftliche Geste, mir ein Stück von dem Eiskonfekt aufzuheben. Hab dir das ja auch nur gekauft.“
„Genau. Hat auch prima geschmeckt. Cool?“
Ich hatte mich immer noch nicht ganz daran gewöhnt, Worte wie „cool“ aus Tods Mund zu hören. Ich nickte nur, denn der Film fing an.
Der Film war eher von der surrealen Art. Am Anfang versucht ein Typ sich in einer Mülltonne zu verstecken, wird dann aber von einem Metzger gefunden, der ihn laut lachend mit einem Fleischerbeil niederstreckt. Es gab allerlei wilde Kameraeinstellungen, vor allem mit Weitwinkellinsen, die die durchaus als sonderbar zu bezeichnenden Gesichtszüge der Schauspieler äußerst betonten. Trotzdem mochte ich den Film.
Wir liefen nach dem Kinobesuch noch über den Breitscheidplatz und unterhielten uns, was für mich peinlich war, denn ich steckte immer noch in meinen Hausschuhen. Aber ich nahm an, dass unsere Konversation genau dem entspräche, was Freunde nach dem Kino tun würden.
„Findest du es nicht auch interessant, dass die Menschen so viele Filme über Gewalt und Tod drehen, anstatt sich auf die positiven Seiten des Lebens zu konzentrieren?“, sagte Tod.
„Nun ja, es gibt ja auch romantische Komödien.“
„Okay, da geht es meistens nur metaphorisch um Leben und Tod.“
„Metaphorisch?“, fragte ich.
„Nun, sie handeln schon von Leben und Tod, aber eben vom Leben und Tod einer romantischen Beziehung.“
„Bisschen weit hergeholt, findest du nicht?“
„In den meisten romantischen Komödien geht es doch darum, dass irgendwer seine große Liebe findet und dann verliert, oder nicht? Das halte ich für einen metaphorischen Tod.“
„Mann, ich hoffe, du bist nicht auch für Beziehungstode verantwortlich, ansonsten hätte ich da ein Wörtchen mit dir zu reden“, witzelte ich.
Tod schaute mich kurz an, so als überlege er, was er zu sagen hätte, schien dann aber zu bemerken, dass ich nur scherzte.
„Damit habe ich nichts zu tun.“
„Schon gut.“
„Wo
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