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Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Titel: Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Niedlich
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Erschrocken sah ich mich um, ob jemand in der Nähe wäre, aber Tod, der hinter dem Tresen war und an irgendwas rumfummelte, beschwichtigte mich: „Keine Bange, hier ist kein lebendes Wesen anzutreffen.“
    Ich beruhigte mich ein wenig. Es war eine übliche Bowlinghalle mit ungefähr 20 Bahnen. Die Wände waren mit sonderbaren Figuren bemalt, und erst nach einer Weile fiel mir auf, dass die Schriftzeichen, die sich an den Bahnen und Schildern befanden, alle kyrillisch waren.
    „Wo zum Teufel sind wir hier eigentlich?“, fragte ich.
    „Moskau.“
    „Moskau?!“
    „Ja, hier ist es schon spät und der Laden nicht mehr auf. Wir sind also ungestört. Außerdem hatte ich hier zu tun.“
    Er hatte eine Bahn angestellt, woraufhin dort die Anzeige zu blinken anfing und die Pins aufgestellt wurden.
    „Cool!“, sagte Tod.
    ***
    Wir spielten mehrere Runden, und ich vergaß die Zeit. Unsere Würfe waren etwas unbeholfen, immerhin hatten wir beide so gut wie keine Erfahrung im Bowling. Das Wichtigste war jedoch, dass wir Spaß hatten. Es waren wirklich zwei Freunde, die dort spielten und sich köstlich amüsierten.
    Nach einer Weile bemerkte ich, dass ich ziemlichen Durst bekommen hatte. Tod meinte, dass ich mir einfach etwas vom Tresen nehmen könnte, schließlich würde es ohnehin keiner bemerken. Also ging ich um die Theke herum und wollte gerade auf der Rückseite eintreten, als ich die Leiche auf dem Boden liegen sah.
    „Verfluchte Scheiße!“
    Tod sah sich zu mir um, bemerkte mein überraschtes Gesicht und sagte nur: „Oh, du hast ihn gefunden.“
    „Ist der tot?“
    „Selbstverständlich. Ich hab doch gesagt, dass ich hier zu tun hatte.“
    „Ich dachte, du hattest in der Gegend zu tun. Ich konnte doch nicht ahnen, dass hier die ganze Zeit ein Toter liegt.“
    „Ja, und? Macht es einen Unterschied?“
    „Na ja, es gibt dem ganzen Abend eine etwas traurige Wendung, findest du nicht?“
    „Eigentlich nicht.“
    „Ich will bloß noch weg hier.“
    „Wolltest du nicht etwas trinken?“
    „Und vielleicht noch Spuren am Tatort hinterlassen? Nein, danke. Ich will die Polizei nicht noch auf Ideen bringen.“
    „Tatort? Der Mann hatte einen Herzanfall. Außerdem würde die Moskauer Polizei bestimmt nicht nach einem Schüler aus Berlin suchen, der eigentlich daheim im Nachtlager liegt.“
    „Ach du je, wie spät ist es?“
    Tod zeigte auf die Uhr am Tresen. „Kurz vor drei.“
    „Und wie spät ist es in Deutschland?“
    „Kurz vor fünf.“
    „Ach du Scheiße. Morgen ist Schule. Ich muss in eineinhalb Stunden aus dem Bett.“
    „Dann sollten wir dich wohl zurückbringen“, sagte Tod.
    Ich warf noch einen letzten Blick auf den toten Mann am Boden, als sich alles verflüssigte. Kurz darauf fand ich mich in meinem Zimmer wieder, das nur durch das Leuchten des Computermonitors, auf dem immer noch Indiana Jones zu sehen war, erhellt wurde.
    Tod sah zerknirscht aus.
    „Es hat mir wirklich gefallen, aber das nächste Mal müssen wir früher Schluss machen. Und irgendwas ohne Leichen wäre auch nicht schlecht“, bemerkte ich.
    „Mal sehen“, sprach Tod, winkte mir zu und war verschwunden.
    Ich atmete tief durch und begann mich auszuziehen. Als ich meinen Pullover wie gewohnt über den Stuhl legen wollte, stellte ich fest, dass er fehlte. Irgendwo auf den Azoren stand mein Bürostuhl noch im Sand.

Kapitel 17
    Mein Wecker riss mich am nächsten Morgen aus dem Schlaf, wobei sich der „Morgen“ wie „fünf Minuten, nachdem ich ins Bett gefallen war“ anfühlte. Mit dicken Augen machte ich mich auf den Weg ins Bad. Ich kam an der Küche vorbei, wo mein Vater mir gerade ein paar Stullen strich. Als er mich sah, schüttelte er nur den Kopf.
    „Hast du wieder die halbe Nacht vor dem Rechner gesessen? Das geht so nicht weiter.“
    Ich versprach ihm, dass es nicht wieder vorkommen würde, und stolperte ins Bad. Die Dusche war eiskalt und brachte meinen Kreislauf auf Trab, aber mein Gesicht sah immer noch so aus, als hätte mir jemand auf die Augen gehauen. Während ich mir die Zähne putzte, lief mal wieder „Die da“ von den Fanta 4 im Radio, was sich gerade zu einem gigantischen Hit entwickelte.
    Ich zog mich an und ging zum Frühstück ins Wohnzimmer, wo der Fernseher lief. Seit kurzer Zeit gab es das Morgenmagazin, so hatte man auch in der Frühe eine Entschuldigung, die Glotze anzustellen. Ich erwartete, dass mich meine Eltern auf den fehlenden Stuhl in meinem Zimmer ansprechen würden, aber offenbar hatte

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