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Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Titel: Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Niedlich
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war ich stehengeblieben?“, fragte Tod.
    „Metaphorische Tode.“
    „Eher Tod im Allgemeinen. Die Menschheit ist besessen vom Wechselspiel zwischen Leben und Tod. Und sie verarbeitet dies in Geschichten.“
    „Sprach die physische Manifestation des Todes.“
    „Ja, und?“, fragte Tod.
    „Nichts, war nur eine Feststellung.“
    „So wie die von mir. Der Punkt ist doch, dass die Menschheit sich über Gebühr mit Gewalt und Tod beschäftigt.“
    Ich dachte einen Moment lang nach. „Okay, richtig, aber du musst doch zugeben, dass eine Geschichte, in der es um Leben und Tod geht, viel interessanter ist als eine Geschichte, in der alle Händchen haltend über grüne Wiesen hüpfen, fröhliche Lieder singen und nichts Schreckliches passiert.“
    „Ich nehme an, du bist kein Freund von ‚The Sound Of Music‘“, sagte Tod.
    „Irgendwann musst du mir mal erklären, woher du die Zeit nimmst, um Musicals zu schauen.“
    „Aber du stimmst mir grundsätzlich zu, wenn ich sage, dass Menschen von Gewalt und Tod fasziniert sind?“
    „Solange es sich dabei um fiktionale Gewalt und Tod handelt, ja. Bei realer Gewalt bin ich mir nicht so sicher.“
    „Ich mir schon.“
    „Was willst du mir eigentlich beweisen?“
    „Ich will gar nichts beweisen. Ich wollte nur etwas feststellen.“
    Irgendwie hatte ich mittlerweile keine Vorstellung mehr davon, in welche Richtung dieses Gespräch ging.
    „Hat dir der Film gefallen?“, fragte er mich. Endlich eine Frage, die weniger hintergründig erschien.
    „Ja“, sagte ich dennoch vorsichtig.
    „Hat dich die Gewalt gestört?“
    „Nein, nicht wirklich.“ Ich war immer noch skeptisch.
    „Wenn du so etwas wie in dem Film in der Realität sehen würdest, meinst du, es würde dich stören?“
    „Auf jeden Fall!“
    Tod schaute mich an und murmelte irgendwas vor sich hin. Schließlich sagte er: „Da bin ich mir nicht so sicher. Wir sollten das ausprobieren, denke ich.“
    „Wie bitte?“
    „Nicht jetzt. Demnächst.“
    „Was zum Teufel …“
    „Ich glaube, es wird Zeit, dass du wieder nach Hause kommst. Das war ein netter Abend. Lass uns das wiederholen.“
    ***
    Die Welt um mich herum zerfloss auf einmal, und im nächsten Moment fand ich mich in meinem Zimmer wieder.
    „Alles klar?“, fragte Tod.
    Mir kam es schon wieder hoch, und ich schüttelte nur den Kopf, riss die Tür auf und rannte ins Bad. Während ich über der Schüssel hing, stand plötzlich mein Vater in der Tür.
    „Wo zum Teufel warst du denn?“
    Ich stöhnte nur und spuckte ein paar Brocken aus.
    Nachdem er sich erkundigt hatte, ob ich gesoffen hatte, hielt er mir eine kleine Predigt, warum und wieso ich nie wieder, ohne Bescheid zu geben, verschwinden sollte. Ich ließ die Standpauke über mich ergehen. Er verschwand irgendwann im Schlafzimmer und ich nach einer Weile in meinem. Tod war nicht mehr da.

Kapitel 16
    Das „Demnächst“ von Tod war übertrieben. Er nahm mich zunächst nicht auf irgendwelche sonderbaren Exkursionen mit, aber wir schlichen uns öfter in Kinos, vor allem in Filme, die ab 18 waren, was sein Argument unterstützte, dass Menschen Gewalt und Tod lieben würden. Ich hingegen wollte einfach nur sehen, was ich eigentlich noch nicht durfte. Ich gewöhnte mich auch recht schnell an Tods eigentümliche Art zu reisen. Eine leichte Übelkeit blieb nach einem „Sprung“, aber mit der Zeit hatte ich es unter Kontrolle.
    Mein Geburtstag kam und ging und somit auch bald das Schuljahr. Die Sommerferien verbrachte ich praktisch wieder auf der Station, wo ich die Tiefen und Höhen der Beziehung von Conny und Andreas mitbekam, die dann zum neuen Schuljahr endete und Conny dazu veranlasste, die Station zu wechseln. Irgendwann sagte Andreas zu mir, dass er nun verstehen könnte, weshalb ich nichts von Conny wissen wollte.
    „Die Alte hat ’nen Knall, Mann.“
    Irgendwie schien er all den Ärger, von dem er glaubte, dass ich ihn hatte, als Conny sich von mir trennte, wiedergutmachen zu wollen. Jedenfalls ließ er mich fast immer mit dem Boot fahren, so dass ich auch genügend Stunden für die Bootsprüfung im nächsten Frühjahr haben würde.
    Die Zeit, die ich nicht auf der Station verbrachte, hing ich vor dem Computer, da das neue Indiana-Jones-Spiel von Lucasarts herausgekommen war. Es war die Blütezeit der Adventurespiele, bevor sie in wenigen Jahren von der Bildfläche verschwinden sollten. Ansonsten versuchte ich zu begreifen, was so besonders an dem frischen Betriebssystem Windows

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