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Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Titel: Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Niedlich
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3.1 war und warum die alte DOS-Kommandozeile nicht ausreichen sollte. Und dann waren da noch Berichte über diese tolle Sache namens Internet, von der kaum einer etwas Genaues wusste. Tod sagte einmal, dass das Internet irgendwann dazu benutzt werden würde, um die dunkelsten Abgründe der menschlichen Seele auszuleben. Mein Interesse am Internet wurde damit über Jahre eher gedämpft.
    ***
    Das neue Schuljahr begann, und man konnte beobachten, wie die Interessen der Leute sich immer mehr in unterschiedliche Richtungen bewegten. Viele hatten bereits im Jahr zuvor begonnen, sich über ihre berufliche Zukunft Gedanken zu machen. Kurse mussten gewählt werden, um auf ein eventuelles Studium optimal vorbereitet zu sein. Einige nahmen das sehr ernst, andere überhaupt nicht. Und ich hatte nicht die geringste Idee, was ich mit mir selbst anfangen sollte.
    Aus einer Laune heraus hatte ich entschieden, dass ich eventuell später mal in die Genetik wollte. Das bewog mich dazu, Physik und Biologie als meine Leistungsfächer zu wählen. Rückblickend nicht die schlaueste Idee. Ich hätte mir das Leben so viel leichter machen können, hätte ich Kurse wie Englisch oder Geschichte belegt, aber offenbar hatte ich einen unterschwelligen Hang zum Masochismus. Es wurde jedenfalls nicht einfach für mich. Und eine weitere Verkomplizierung setzte ein, als Tod versuchte, mich wieder für die Idee zu erwärmen, seinen Job zu übernehmen.
    „Du musst doch an deine Zukunft denken“, sagte er eines Nachts, als er wieder einmal in meinem Zimmer aufgetaucht war, während ich vor dem Rechner saß.
    „Vielleicht kümmere ich mich gerade um meine Zukunft“, entgegnete ich, wobei er nur sein Gesicht verzog.
    „Am Computer zu spielen ist kein Beruf.“
    „Doch, als Spieletester. Oder vielleicht werde ich ja Redakteur bei einer Spielezeitschrift. Was weiß ich.“
    „Wirst du nicht.“
    „Du weißt das natürlich schon wieder alles im Voraus.“
    „Mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit.“
    „Aha, und was werde ich später deiner Meinung nach tun?“
    „Meinen Job.“
    „Das war jetzt genau die Antwort, die ich erwartet hatte. Nicht sehr originell.“
    Tod seufzte.
    „Ich habe eigentlich überhaupt keinen Bock, über meine Zukunft nachzudenken. Die kommt schon früh genug. Momentan interessiert mich eigentlich nur, wie ich Indy hier quer durch die Welt jage.“
    „Spielst du immer noch dieses Indiana-Jones-Spiel?“, fragte Tod, und ich nickte zur Antwort. Er blickte auf den Bildschirm und schaute sich an, wo ich gerade unterwegs war. „Ah, die Azoren. Schöne Gegend. Warst du da schon mal?“
    „Nein.“
    „Da gibt’s einen schönen Sonnenuntergang.“
    „Aha.“
    Tod schaute auf eine Uhr an der Wand. „Okay, los.“
    „Was?“
    Aber die Antwort kam schon von allein. Ehe ich protestieren konnte, hatte sich der Raum um mich herum aufgelöst, und wir fanden uns an einem Strand wieder. Ich saß immer noch auf meinem Schreibtischstuhl und schaute nun hinaus ins Meer, wo sich tatsächlich ein spektakulärer Sonnenuntergang abzeichnete.
    „Klasse, oder?“, sagte Tod.
    „Könntest du mich eventuell das nächste Mal vorher fragen, bevor du mich einfach irgendwohin transportierst?“
    „Nun genieße doch einfach mal den Moment. Du musst doch zugeben, dass das wirklich toll aussieht, oder?“
    „Ja“, sagte ich mürrisch und kletterte aus dem Stuhl, der im Sand feststeckte.
    „Außerdem war es an der Zeit, dass wir etwas anderes machen, als immer nur ins Kino zu gehen.“
    „Na ja, was bleibt uns schon groß übrig. Wir können ja schlecht Bowlen gehen, oder? Die Leute würden schon sonderbar schauen, wenn da eine Kugel durch die Gegend schweben würde.“
    Tod blickte zur mir rüber. „Komisch, dass du gerade Bowling erwähnst. Das wäre tatsächlich etwas, was wir machen könnten, findest du nicht?“
    „Wie gesagt, die Leute würden ganz schön gucken.“
    „Wir können ja irgendwohin gehen, wo es spät genug ist, das Etablissement geschlossen ist und uns niemand bemerkt.“
    Nun war es an mir, Tod anzusehen. „Ja, das können wir mal machen.“
    Tod war wieder dabei, der Sonne nachzuschauen, deren letzter Zipfel gerade im Meer versank. „Wirklich schön, oder?“
    „Fehlt nur der ‚Farbe von Technicolor‘-Slogan.“
    „Also, dann wollen wir mal.“
    Mir blieb keine Zeit, etwas zu entgegnen. Um mich herum verflüssigte sich alles, und als die Realität mich eingeholt hatte, stand ich mitten auf einer Bowlingbahn.

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