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Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Titel: Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Niedlich
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ich mit Conny mehr Zeit verbringen müsste. Seit unserem Streit hatten wir uns praktisch nicht gesprochen, auch wenn wir uns beim Training in der Woche über den Weg liefen.
    Anfang April holten wir unser Boot aus dem Winterquartier. Während der Arbeiten, um das Boot wieder diensttauglich zu machen, bemerkte ich die Blicke zwischen Conny und Andreas. Irgendwas nagte in meinem Hinterkopf, aber ich versuchte es so weit wie möglich zu ignorieren. Schließlich wurden Conny und eine andere Kameradin dazu eingeteilt, Döner vom Imbiss an der Ecke zu holen, und als die beiden weg waren, wandte sich Andreas an mich.
    „Alter, warum haste die denn sausenlassen?“
    „Sie hat mich verlassen, nicht umgekehrt.“
    „Sie hat mir gesagt, dass du eine andere oder so hattest.“
    Ich seufzte: „Oder so.“
    „Jedenfalls verstehe ich dich nicht. Die ist ’ne verdammte Granate im Bett, Mann.“
    Ich hörte mit dem Streichen auf und schaute Andreas an.
    „Und du denkst, das war jetzt das, was ich hören wollte?“
    Ich pfefferte den Pinsel auf den Boden und ging weg. Andreas wollte mir noch hinterher und sich entschuldigen, aber ich zeigte ihm, dass er bloß bleiben sollte, wo er war. Ich hörte einen anderen Kameraden Andreas ein ironisches „Gut gemacht“ zuwerfen.
    Ich ging auf den langen Steg des Landesverbands, der zu der frühen Jahreszeit lediglich mit zwei Booten und den zwei schwimmenden Stationen der Unterhavel belegt war. Auf der dem LV abgewandten Seite setzte ich mich auf die Kante der einen Station und starrte auf die Bucht hinaus. Nebel lag noch immer über dem spiegelglatten Wasser, über das Thanatos nun auf mich zuschritt.
    „Na, Junge, alles klar?“
    Ich schüttelte den Kopf. „Ich dachte, ich wäre über sie hinweg, aber irgendwie habe ich sie wohl doch mehr gemocht, als ich dachte.“
    „Ich sag dir … Weibsvolk. Macht nur Ärger. Du solltest dich lieber davon fernhalten.“
    „Ja? Ich dachte, dass Frauen auch viel Freude machen könnten.“
    „Meistens nicht.“
    „Und darüber weißt du genauestens Bescheid?“
    Wir schauten uns einen Moment lang in die Augen, schließlich sagte Tod: „Hey, ich habe täglich mit Frauen zu tun.“
    „Ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich die lebendigen Menschen interessanter finde.“
    „Lebendige Menschen verletzen dich nur. Das Problem habe ich nicht mehr. Was ist denn eigentlich passiert?“
    Ich erzählte ihm von Conny und Andreas.
    „Das Sonderbare daran war eigentlich, dass ich das Gefühl hatte, schon vorher zu wissen, dass die beiden was miteinander anfangen würden.“
    Tod kratzte sich die Stirn.
    „Was?“, fragte ich.
    „Nichts“, sagte Tod und schob gleich die Frage hinterher, ob wir am Abend Schach spielen wollten.
    „Ich denke nicht. Ich bin auf der Station.“
    „Du willst mit dem Mädchen und dem Typen, die dich so verletzt haben, auch noch den Abend verbringen?“ Tod schien wahrhaft überrascht.
    „Sie bleiben doch trotzdem meine Freunde.“
    „Nicht sehr freundschaftlich, einem Freund die Freundin wegzunehmen, oder?“
    „Andreas hat sie mir nicht weggenommen. Sie hat mich verlassen, schon vergessen?“
    „Du hast eine seltsame Auffassung von Freundschaft. Sag mir, glaubst du, deine ganzen ‚Freunde‘ …“, er betonte das Wort fast spöttisch, „… würden alles stehen und liegen lassen, nur um dir zu helfen? Würden für dich sterben?“
    Ich dachte einen Moment darüber nach.
    „Nein, ich vermute nicht. Kommt wohl darauf an, wie man Freundschaft definiert. Du hast da offenbar etwas konkretere Vorstellungen als ich.“
    „Schaut so aus.“
    „Würdest du denn alles für mich stehen und liegen lassen? Die Menschen am Leben lassen und nicht die Schmetterlinge fangen, die sie hinterlassen?“
    Tod lächelte.
    „Was meinst du, was ich jedes Mal tue, wenn ich mich mit dir treffe, Junge?“
    „Willst du damit sagen, dass niemand stirbt, wenn du dich mit mir triffst?!“ Die Vorstellung verschlug mir den Atem.
    Jetzt lachte Tod.
    „Nein, sterben tun sie ganz von allein. Ich bin nur der Sammler. Außerdem brauche ich die Schmetterlinge nicht zu vernachlässigen. Ich bin überall.“
    „Wie das?“
    „Das zeige ich dir ein anderes Mal. Jetzt ist vermutlich kein guter Zeitpunkt. Deine ‚Freunde‘ suchen nach dir.“
    Tatsächlich hörte ich irgendwo irgendwen meinen Namen rufen.
    „Ich schätze, die Mädels sind mit den Dönern zurück.“
    „Eine Frage hätte ich allerdings noch“, sagte Tod. „Würdest du denn

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