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Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Titel: Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Niedlich
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es noch keiner gemerkt. Ich hatte ganz bestimmt nicht vor, es ihnen auf die Nase zu binden, denn mir fiel partout keine gute Erklärung ein, wo das Ding geblieben sein könnte. Ihnen zu sagen, dass der Stuhl irgendwo auf den Azoren stand, ging nicht, ohne einen Schwall von Folgefragen beantworten zu müssen. Also schwieg ich und machte mich nach dem Essen schnell auf den Weg in die Schule.
    Schon im Bus wurde mir klar, dass es extrem schwierig werden würde, die Augen im Unterricht aufzubehalten. Und dann fiel mir ein, dass ich gleich zu Anfang Deutsch bei unserem Schulleiter hatte – und somit ein Problem.
    Wie immer kam er gekleidet wie ein Waldschrat und sprach in diesem nasalen Ton, der, wäre er nicht so einschläfernd gewesen, mich wohl zur Weißglut gebracht hätte. Ich gab mir wahrhaftig die größte Mühe, aber irgendwann verschränkte ich die Arme auf dem Tisch, mein Kopf landete darauf, und ich schlief ein.
    Wach wurde ich erst wieder nach der Stunde, weil Anja mich an der Schulter rüttelte.
    „Martin? Martin, wach auf.“
    Ich schreckte hoch und starrte sie an. Die anderen Schüler waren entweder schon halb aus dem Klassenraum raus oder warfen mir kopfschüttelnd einen Blick zu.
    „Oh mein Gott, bin ich eingeschlafen?“
    „Du hast praktisch die ganze Stunde verschlafen.“
    „Ach du meine Güte. Hat der Waldschrat gar nichts bemerkt?“
    Anja schüttelte den Kopf.
    „Das ist das Sonderbare. Er ist direkt an dir vorbeigelaufen und hat nichts gesagt. Er hat überhaupt nicht auf dich geachtet. Wie auch sonst keiner. Es gab kein Kichern oder Lachen. Niemand hat Notiz von dir genommen. Ich hab auch erst gedacht, dass du gar nicht da wärst, hätte ich nicht deinen Platz beobachtet“, erläuterte sie.
    „Ich bin schon daran gewöhnt, dass mich keiner beachtet“, sagte ich.
    „Aber es war so, als wärst du Luft“, entgegnete Anja.
    „Das würde die meisten Reaktionen von Mädchen mir gegenüber erklären“, murmelte ich mehr zu mir selbst als zu ihr. „Ich … keine Ahnung. Es gibt bestimmt eine einfache Erklärung dafür. Danke jedenfalls. Ist mir ein wenig peinlich.“
    „Na ja, ich dachte auch nur, dass ich dich wach mache, bevor du noch die Pause verschläfst und dann vom nächsten Lehrer gefunden wirst.“
    „Ja, vielen Dank“, entgegnete ich schüchtern und setzte ein gequältes Lächeln auf.
    Anja war auf dem Weg nach draußen und lächelte mir noch einmal zu, so dass mein Magen kleine Luftsprünge machte. Dann dachte ich über das eben Gesagte noch einmal nach und sprang schließlich auf, um ihr zu folgen. Ich holte sie an der nächsten Ecke ein und zog sie beiseite.
    „Entschuldige, aber hast du gesagt, dass du mich im Unterricht beobachtet hast?“
    Sie wurde nervös. „Nein, nein. Das musst du falsch verstanden haben. So war das nicht.“
    „Wie war es dann?“
    „Ich weiß auch nicht. Ich muss zur nächsten Stunde. Entschuldige bitte.“
    Sie ließ mich stehen, und ich schaute ihr hinterher, als es anfing zu klingeln und ich mich auch auf den Weg zum Raum des nächsten Kurses machte. Ich erntete sonderbare Blicke, weil ich grinste wie ein Honigkuchenpferd.
    ***
    Den Rest des Tages überstand ich, ohne noch einmal einzuschlafen. Der Mini-Schlaf in Deutsch und die Tatsache, dass mich Anja offenbar doch mehr beachtete, als ich dachte, hatten offenbar geholfen. In der großen Pause beobachtete ich sie, als sie mit ihrem Freund zusammenstand. Es kam mir fast so vor, als würde sie mir ebenfalls ein paar Blicke zuwerfen, aber immer wenn ich den Eindruck hatte, dass sie zu mir rüberschaute, schien sie im nächsten Moment nur noch enger mit ihm zu kuscheln. In der zweiten großen Pause tauchte Tod wie gewohnt auf und gesellte sich zu mir.
    „Vergiss sie“, sagte er zu mir, als ich gerade wieder zu Anja hinübersah. „Die spielt in einer anderen Liga.“
    „Ich weiß.“
    „Warum quälst du dich dann immer wieder?“
    „Sie geht mir einfach nicht aus dem Kopf.“
    „Eieieieieieieieieiei“, machte Tod und kratzte sich am Kopf.
    Ich schielte zu ihm hinüber, weil mir gerade eingefallen war, was ich ihn fragen könnte.
    „Du bist doch sonst immer so schlau und weißt alles im Voraus. Was wird mit mir und Anja in der Zukunft?“
    Tod schaute auf einmal recht ernst.
    „Das willst du nicht wissen.“
    „Doch, will ich. Ich habe dich doch gerade gefragt.“
    „Nein, wirklich. Du willst es nicht wissen.“
    „Nun mach doch nicht immer so einen auf geheimnisvoll!“, sagte

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