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Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Titel: Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Niedlich
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Raum eines ägyptischen Cafés ersetzt.
    „Das ist definitiv keine Bowlingbahn“, sagte ich.
    „So, jetzt können wir in Ruhe darüber reden.“
    „Wir hätten auch in Lehnitz in Ruhe darüber reden können. Nachdem ich den Brief zu Ende geschrieben habe.“
    „Aber hier finde ich es gemütlicher“, meinte er.
    „Ich aber nicht“, sagte ich und konzentrierte mich auf den Raum, in dem ich kurz zuvor noch an dem Brief geschrieben hatte.
    Tod folgte mir schnell nach, als ich zurücksprang, und schaute gar nicht amüsiert aus.
    „Was soll denn das? Warum springst du zurück?“, fragte er.
    „Weil ich diesen Brief schreiben will“, schleuderte ich ihm unwirsch entgegen. Meine Geduld näherte sich dem Ende.
    „Dann komm doch wenigstens anteilig mit.“
    „Ich finde es ziemlich schwer, mich auf den Brief zu konzentrieren, wenn ein anderer Teil von mir auf einem anderen Kontinent sein Unwesen treibt.“
    „Den Abend hatte ich mir etwas anders vorgestellt“, sagte er und stützte sich auf den Stock.
    „Und ich hätte gedacht, dass du meine Meinung und Wünsche respektieren würdest. Nimm mich nie wieder einfach so irgendwo mit hin. Hast du mich verstanden?“
    Ich schaute ihm direkt in die Augen, und er hielt meinem Blick stand.
    „Irgendwie habe ich dich mehr gemocht, als du diese Kraft noch nicht hattest.“
    „Und ich habe dich mehr gemocht, als du mich noch nicht bevormunden wolltest.“
    „Dann wäre das ja geklärt“, sagte Thanatos.
    „Genau“, erwiderte ich, nahm den Stift und beugte mich wieder über den Zettel auf dem Tisch. Kurz darauf war Tod verschwunden, und Damm stolperte mit blutunterlaufenen Augen und einem Falafel durch die Tür, ließ sich auf sein Bett fallen und grinste mit Marihuana-verhangenem Blick vor sich hin.

Kapitel 21
    Nach einer gewissen Zeit bei der Bundeswehr gewöhnt man sich sonderbare Dinge an. Beispielsweise tendiert man dazu, Leute nur noch mit dem Nachnamen anzusprechen. Wir auf dem Zimmer redeten uns nur mit Remmler, Kruppa und Damm an. Die Ausnahme war wieder mal ich. Ich blieb für alle Martin, vermutlich weil mein Nachname nicht wirklich griffig war. Eine andere Tendenz war, auch privat in der „Rührt euch“-Stellung zu stehen – mit den Beinen leicht geöffnet und den Armen auf dem Rücken. Die Haltung ist sogar einigermaßen gemütlich, im Gegensatz zu der „Stillgestanden“-Variante. Auch in anderen persönlichen Bereichen ging die Ausbildung nicht spurlos an uns vorüber. Als „True Lies“ in die Kinos kam, saßen Remmler, Kruppa, Damm, ein paar vom Rest der Gruppe und ich im Kino und lachten uns kaputt, weil dort eine Maschinenpistole die Treppe herunterfällt und dabei schießt. Stuffz Anselm hatte uns öfter davor gewarnt, dass diese Mistdinger eventuell von allein losgehen, wenn man sie fallen lässt. Da die Waffe nur aus wenigen Teilen besteht, verwundert das nicht weiter.
    Wir hatten das Zerlegen der Uzi und Gewehre öfter geübt als das eigentliche Schießen. Kam mir der Aufenthalt bei der Bundeswehr bis dahin wie ein nicht ganz so lustiger Besuch eines Abenteuerspielplatzes mit schlechtem Essen vor, so hatte für mich das Schießen mit Gewehr, MP und Pistole doch etwas Ernsthafteres. Im Grunde ist es das, was einen Soldaten ausmacht: Er ist dafür ausgebildet, auf Leute zu schießen.
    Mir war nicht ganz wohl bei der Sache.
    Andere waren da viel euphorischer, wie zum Beispiel Kruppa, der vom Schießen gar nicht genug bekommen konnte, obwohl er ein schlechterer Schütze war als ich. Damm und Remmler lagen irgendwo im Mittelfeld, wobei Damm grundsätzlich den Eindruck machte, als würde er die Waffe am liebsten schreiend wegwerfen. Ein besonderes Augenmerk musste man lediglich auf unseren Batterietrottel Schubert haben, der regelmäßig in den Sand schoss und sich darüber freute wie ein kleines Kind, das gerade einen Silvesterknaller hat hochgehen lassen. Er fuchtelte auch öfter mit seinem Gewehr rum und tat so, als würde er auf uns schießen, was ihm großen Ärger mit dem Zugführer und eine Nacht in einer Zelle einbrachte.
    Eines Abends fragte mich Damm, während er sich zudröhnte, ob ich mir vorstellen könnte, auf einen Menschen zu schießen.
    „Ich glaube nicht. Das brächte ich nicht übers Herz. Andererseits wüsste ich nicht, was ich machen würde, wenn mir keine andere Wahl bliebe. Quasi wenn es um mein oder sein Leben ginge.“
    Damm blies den Rauch aus. Wir anderen hatten durch ihn sozusagen unsere Grundversorgung mit Drogen,

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