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Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Titel: Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Niedlich
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entschuldigte ich mich, dass mir nicht wohl sei, und ging früh zu Bett. Da ich verdammt früh an diesem Tag hatte aufstehen müssen, wirkte es nicht sonderbar, dass ich schon gegen 22 Uhr schlafen ging. Ich suchte nun die dunkelsten Kleidungsstücke heraus, die ich hatte, und zog sie an. Außerdem steckte ich mir die Sturmhaube von der Bundeswehr ein, die man üblicherweise wohl als Skimaske bezeichnet hätte. Mein Gesicht war dadurch zumindest nicht zu erkennen. In der Aufmachung sah ich aus wie der typische Terrorist. Ich warf einen Blick auf die Baseballkeule in der Ecke und bewaffnete mich.
    Ich wusste, dass die Schicht der Kollegin um 22 Uhr endete. Bis sie das Gelände verlassen hatte, würden noch ein paar Minuten vergehen. Kurz nach zehn war ich bereit. Ich sprang auf die Straße vor der Nervenklinik. Gegenüber von der Stelle, die ich in meiner Vision gesehen hatte, versteckte ich mich hinter einem Baum und wartete. Ein paar Minuten später erschien sie tatsächlich und lief die Straße hinunter. Um die Uhrzeit fuhren die Busse nur an der Hauptstraße, und sie musste an dem Gebüsch vorbei, in dem ihr Exfreund lauerte. Mir selbst klopfte das Herz bis an den Hals. Sie hatte das Gebüsch fast erreicht, als die Stimme neben mir ertönte.
    „Lass es.“
    „Geh weg.“
    „Ich habe hier zu tun. Du jedoch nicht.“
    „Ich habe hier gleich mehr zu tun als du.“
    Der Exfreund sprang aus dem Gebüsch, hielt ihr den Mund zu und drehte ihr einen Arm auf den Rücken. Erstickte Schreie waren zu vernehmen. Ich wollte lossprinten, aber Tod hielt mich mit dem Kescher zurück.
    „Was soll das? Du bist maskiert wie einer dieser Superhelden. Wer glaubst du, wer du bist? Batman?“
    „Nein, ich bin einfach nur jemand, der nicht zulassen kann, dass dieser Höhlenmensch gleich seine Frau umbringt. Jetzt lass mich.“
    Ich schob den Kescher zur Seite, rannte über die Straße, den Baseballschläger fest in der Hand, und warf mich ins Gebüsch. Das erstaunte Gesicht des Exfreundes blickte mich an, als ich mit der Keule ausholte und ihn mit voller Wucht an der Schulter traf. Ich hörte etwas knacken. Er schrie auf und ließ von seinem Opfer ab, das sich umgehend aufrappelte und davonlief. Ich hieb mit der Keule weiter auf ihn ein. Hier und da knackte es, während der Mann heulte und wimmerte vor Schmerz. Ich verspürte kalte Genugtuung, als ich ihn dafür zahlen ließ, was er beinahe getan hätte.
    Plötzlich wurde die Keule zurückgehalten. Tod hatte den Kescher über sie gestülpt und hielt mich so davon ab, weiter auf den Exfreund einzuprügeln.
    „Ich dachte, du wolltest einen Mord verhindern, nicht einen begehen“, sagte Thanatos.
    Erschrocken ließ ich den Schläger fallen. In meiner Rage hatte ich den Mann fast zu Brei gehauen.
    „Bist du jetzt zufrieden?“, fragte Tod.
    „Mein Gott“, presste ich hervor. „Wie geht es Ihnen?“, sagte ich zu dem Mann, der kaum noch ein Schluchzen hervorbrachte.
    „Ich weiß nicht, ob der im Moment wirklich deine Hilfe haben möchte, Martin.“
    Erschrocken sog ich die Luft ein, als Tod meinen Namen aussprach, doch dann wurde mir bewusst, dass der Kerl vor mir ihn weder hören noch sehen konnte. Ich griff nach dem Baseballschläger und rannte durch das Gebüsch in Richtung Wald. Tod stand plötzlich wieder vor mir und hielt mich auf.
    „Rennst du jetzt etwa vor deiner Verantwortung davon?“
    „Nerv mich nicht!“, zischte ich.
    „Ich frage erneut: Bist du jetzt zufrieden?“
    Ich atmete schwer. „Das Schwein hätte sie umgebracht, wenn ich nicht eingegriffen hätte.“
    „Sicher, und wenn ich nicht eingegriffen hätte, hättest du ihn umgebracht. Ich frage mich, wie menschlich du dich jetzt findest.“
    „Dafür hätte er auch den Tod verdient.“
    „Wofür? Er hat doch gar nichts getan.“
    „Er hat nichts …? Ich hab gesehen, wie er das Mädchen … Oh, ich verstehe. Du willst mir jetzt damit kommen, dass er gar nichts getan hat, nur weil ich ihn daran gehindert habe, richtig?“
    „Und? Stimmt es nicht?“, fragte Tod. „Anders gefragt, wie würdest du dich jetzt fühlen, wenn du ihn umgebracht hättest?“
    Die Frage nagte an mir. Während ich nach einer Antwort suchte, überkam mich das Entsetzen über meine Tat mit ganzer Macht. Ich beugte mich vornüber und  stützte mich, nach Luft ringend, mit den Händen auf meinen Knien ab. Was hatte ich getan? Es hatte nicht viel gefehlt und ich wäre zum Mörder geworden.
    Als hätte er meine Gedanken gelesen, sagte

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