Der Tod und der Dicke
genug aussahen, um Studenten in ihrem ersten Praktikum zu sein, ihn einluden, sich durch nachrichtendienstliche Akten zu wühlen und nach allem zu suchen, was eventuell auf den selbst ernannten neuen Templer-Orden verweisen könnte.
Am Ende des Tages war er zu mehreren Schlussfolgerungen gelangt.
Erstens, seine neuen Kollegen waren nicht so jung, wie es den Anschein hatte, wobei jener, der Tim genannt wurde (dunkles Haar, von mittlerer Größe, rundes, melancholisches Gesicht), in der Rangfolge über jenem stand, der Rod hieß (blond, blaue Augen, schlank, mit frischem, lebhaftem Gesicht, auf dem sich gern ein Lächeln breitmachte). Zweitens, obwohl sie scheinbar heiter und unbeschwert an ihre Arbeit gingen, nahmen sie diese doch sehr ernst. Und drittens, so ernst Tim und Rod ihre Arbeit auch nehmen mochten, seiner Ansicht nach war sie völlige Zeitverschwendung.
Am Morgen darauf verbrachte er eine weitere Stunde im Keller und machte sich dann auf die Suche nach Glenister. Als er diese Absicht verkündete, grinste Rod Tim an, und Tim runzelte Rod gegenüber die Stirn, erklärte aber ohne weiteren Kommentar den Weg. Ein paar Minuten später stand Pascoe vor einer Tür mit dem Namen der Superintendent. Auf sein Klopfen erhielt er keine Antwort, weshalb er die Klinke versuchte. Abgeschlossen. Frustriert rüttelte er heftig daran. Hinter sich vernahm er ein trockenes Hüsteln. Er drehte sich um. Lukasz Komorowski stand vor ihm. In einer Hand hielt er eine Plastikflasche, in der anderen eine Schere. Wahrscheinlich gerade auf dem Weg zu einem Seminar, in dem er demonstrierte, wie man mit Gegenständen, die sich in einer ganz gewöhnlichen Küche finden ließen, einen feindlichen Agenten töten konnte.
»Sie ist nicht da«, sagte der Mann mit seiner klaren Stimme.
»Deswegen ist die Tür abgesperrt.«
Pascoe kam sich ziemlich dämlich vor. »Wann ist sie wieder zurück?«
»Nicht vor Spätnachmittag, denke ich. Sie ist in Nottingham. Krisenmanagement.«
»Die Demonstrationen, meinen Sie?«
Angespornt durch die grellen Boulevardgeschichten über die Templer und deren Hinrichtung Mazraanis, war es vor dem Gerichtsgebäude, in dem der Prozess gegen Michael Carradice alias Abbas stattfand, zu Demonstrationen und Gegendemonstrationen gekommen.
»Nein«, sagte Komorowski, »Einsätze bei Demonstrationen fallen nicht in unser Aufgabengebiet, Mr. Pascoe. Die Krise ergibt sich aus dem sich abzeichnenden Prozessverlauf.«
»Es steht schlecht, nicht wahr?«, sagte Pascoe.
»Kommt drauf an, wie Sie es sehen wollen«, antwortete Komorowski. »Von unserem Standpunkt aus sehr schlecht.
Von Ihrem allerdings vielleicht nicht so schlecht?«
Scheiße, dachte sich Pascoe. Diese Leute … wissen die denn alles?
Als Carradice und seine sogenannte Bande verhaftet wurden, hatte Ellie gesagt: »Interessant. Die Mum meiner Mum war eine Carradice, und sie stammte auch aus Nottingham.«
»O Gott«, hatte Pascoe erwiderte. »Sag mir nicht, wir sind mit einem Terroristen verwandt.«
»Du behauptest ja immer, meine Verwandtschaft sei langweilig«, hatte Ellie darauf geantwortet. »Ich werde mal meine Mum danach fragen.«
Danach hatte Pascoe die Hintergrundberichte über Carradice mit leichter Nervosität gelesen. Eine Geschichte, bei der jeder nervös werden konnte, selbst ohne persönliche Beziehung.
Nach seinem Abschluss in Kunstgeschichte an der Universität Nottingham hatte Michael Carradice beschlossen, mit dem Rucksack um die Welt zu reisen; für ihn die weitaus bessere Alternative zu der Aussicht, sich einen Job suchen zu müssen. Mit seiner Freundin hatte er sich auf den Weg gemacht. Acht Monate später kehrte sie allein zurück und gab an, Michael wäre im Verlauf der Reise immer abgedrehter geworden, so abgedreht, dass sie schließlich eines Nachts, während er schlief, ihre Sachen gepackt hatte und zum nächsten Flughafen gefahren war.
Fast ein ganzes weiteres Jahr war von Carradice nichts zu sehen und zu hören, bis er in der britischen Botschaft in Djakarta auftauchte. Er war zum Islam übergetreten, hatte sich einen Vollbart wachsen lassen, nannte sich Abbas Asir und verlangte, diese Änderungen seines Namens und Äußeren mögen in seinem neuen Pass verzeichnet werden. Das Beste, was die Botschaft ihm anbieten konnte, war, ihn mit den nötigen Dokumenten zu versehen, damit er ins Vereinigte Königreich zurückkehren könne, wo sich die zuständigen Behörden sehr viel leichter mit seinem geänderten Status befassen
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