Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod und der Dicke

Der Tod und der Dicke

Titel: Der Tod und der Dicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
gleich ein fernes Tal erhellte. Es offenbarte den jungen Mann, der er einmal gewesen war. Glättete man die runzelige, ledrige Haut, fügte man einen pechschwarzen Haarschopf hinzu, und man erhielt einen äußerst attraktiven Mann samt einem verlockenden Hauch osteuropäischer Exotik.
    Schade bloß um die dreckigen Fingernägel.
    Er musste den Blick gesenkt haben, denn Komorowski hielt nun die Flasche und die Schere hoch.
    »Meine andere Aufgabe«, sagte er. »Das Gebäude ist überraschenderweise voll der Flora, wobei nicht weniges davon, muss ich zugeben, von mir selbst aufgestellt wurde. Einige Blumenkästen, Ihnen ist vielleicht auch der Trog im Foyer aufgefallen. Außerdem bringen viele von zu Hause Pflanzen mit, um ein bisschen Farbe in ihre Büros zu bringen, vergessen sie dann aber und vernachlässigen sie. Also habe ich mich selbst zum Chefgärtner der Lubjanka ernannt.«
    »Großer Gott«, sagte Pascoe, peinlich berührt angesichts seiner bornierten Unterstellungen zur Körperhygiene des Mannes, dessen Hände doch nur von der Liebe zur guten, ehrlichen Erde zeugten. »Ich hoffe, Sie werden anständig dafür bezahlt.«
    »Meine Arbeit raubt mir viel zu viel Zeit für meinen eigenen wunderschönen Garten«, sagte Komorowski. »Das hier ist ein kleiner Ausgleich dafür. Il faut cultiver, na, Sie wissen schon. Wenn ich Ihnen in irgendeiner Weise behilflich sein kann, Mr. Pascoe, dann fragen Sie ruhig.«
    Pascoe sah ihm hinterher, als er sich entfernte.
    Ein Freund, dachte er sich. Er hatte einen Freund gefunden. Glaubte er.
    Er kehrte in den Keller zurück, wo ihn seine neuen Kollegen erneut ohne jeden weiteren Kommentar begrüßten. Den Rest des Tages arbeitete er sich stetig, gewissenhaft und erfolglos durch die Akten. Vielleicht war es wahrhaftig wichtige Arbeit. Er wusste es nicht. Und es kümmerte ihn nicht.
    Jedenfalls lieferte es ihm keinen einzigen guten Grund, warum er auf den Komfort seines eigenen Zuhauses verzichten sollte.
    Im Lauf des Nachmittags kam es zu einer Zerstreuung. Das Telefon klingelte. Rod ging ran. Was er hörte, sorgte bei ihm kurz für eine besorgte Miene. »Großer Gott«, sagte er. »Gut. Bin schon dabei.«
    Er legte den Hörer auf und sagte: »Jemand hat versucht, Scheich Ibrahim umzulegen.«
    Scheich Ibrahim Al-Hijazi war Imam der Moschee in Bradford und seit den Anschlägen auf die Londoner U-Bahn regelmäßiges Ziel der Boulevardpresse. Er war seit langem wegen seiner extremistischen Ansichten bekannt, hatte die Aktionen der Terrorgruppen zwar nie öffentlich gebilligt, sie aber auch nie verurteilt. In seiner Moschee hatte er eine Schar treuer Anhänger, meist junge Männer; gegen mehrere von ihnen war wegen Verdachts auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ermittelt worden.
    In nur einem Fall allerdings wäre es beinahe zu einer Anklageerhebung gekommen, nachdem einer von ihnen in Pakistan verhaftet worden war und anschließend in amerikanischem Gewahrsam verschwand. Al-Hijazi war von sympathischem Äußeren, eloquent und hatte bislang große Geschicklichkeit bewiesen, immer gerade so auf der richtigen Seite der Gesetze zu bleiben, den alten sowie den neuen, auf die sich die Boulevardblätter beriefen, wenn sie seinen Kopf forderten. Der Wortlaut seiner Reaktion auf den Mord an Mazraani war angemessen und vernünftig und so kalkuliert, um die rechte Presse in apoplektische Zuckungen zu versetzen.
    »Was ist passiert?«, fragte Pascoe aufgeregt und in der Hoffnung, es gäbe für ihn wieder richtige Polizeiarbeit, in die er sich vergraben könnte.
    Die Geschichte aber stellte sich als eher langweilig heraus. Der Scheich hatte nach dem Zuhr- oder Mittagsgebet die Moschee verlassen und sich auf den Weg zu einer Verabredung im 35 Kilometer entfernten Huddersfield gemacht. Als sich der Wagen in den Verkehr der nahe gelegenen Hauptstraße zwängte, hörten die Insassen einen scharfen Knall, als wäre durch ein vorbeifahrenes Fahrzeug ein Stein hochgeschleudert worden, der gegen die Karosserie geprallt war.
    Der Fahrer hielt nicht an, erst an ihrem Bestimmungsort inspizierte er den Lack auf mögliche Schäden. Dabei entdeckte er ein kleines Loch in der Abdeckung des Rücklichts.
    Nähere Betrachtung ergab, dass darin ein Geschoss feststeckte.
    »Wir werden uns die Sache ansehen, nach ersten Berichten aus Bradford aber scheint sie von einer kleinkalibrigen Pistole zu stammen, anscheinend am äußersten Ende ihrer Reichweite abgefeuert«, schloss der junge

Weitere Kostenlose Bücher