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Der Tod und der Dicke

Der Tod und der Dicke

Titel: Der Tod und der Dicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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meine eigenen Schlussfolgerungen zu dem Verfahren und seinem Ausgang darlegen darf …«
    Er trug seine sorgfältig einstudierte Rede vor, in der die Begriffe wacklige Beweise, Rechtsherrschaft, Polizeistaat, historisch verbriefte Freiheiten, freie Rede etc. etc. häufig vorkamen, häufiger sogar als rhetorisch notwendig, nachdem das Nichtauftauchen seines Klienten ihn zur Wiederaufbereitung seiner Menschenrechtserklärung zwang, um die Zeit zu füllen.
    Die Meute, die Täuschung witterte, begann erneut zu knurren.
    Schließlich entschuldigte sich der Anwalt und kehrte ins Gebäude zurück.
    Der Gerichtsbeamte, der zuvor auf sie zugetreten war, versicherte ihm, die Haftentlassungsformalitäten seien bereits vor mindestens zehn Minuten beendet worden. Mr. Asir habe er zuletzt gesehen, als er den Raum verlassen habe, vermutlich, um zum Haupteingang zu eilen und seine Freiheit zu feiern.
    Stainton konnte lediglich mutmaßen, dass sein Klient bezüglich des Treffens mit den Vertretern der Presse seine Meinung geändert und einen anderen Weg aus dem Gebäude gefunden habe. Da er Zweifel hegte, die werten Herrschaften von der Presse davon überzeugen zu können, dass er keinerlei Anteil an diesem Täuschungsmanöver hatte, und da ihm klar wurde, dass er sich, selbst wenn ihm dies gelingen sollte, zum Trottel machte, beschloss er, dem Beispiel seines Klienten zu folgen.
    Einige der hartnäckigeren Mitglieder der Meute erwarteten ihn bereits vor seiner Kanzlei, und letztendlich musste er seine Telefonistin anweisen, keine Gespräche mehr anzunehmen, wenn sie sich der Identität des Anrufers nicht absolut sicher sei.
    Er telefonierte mit seiner Frau, um sie zu warnen. Eher gereizt teilte sie ihm mit, dass Journalisten bereits vor dem Tor ihr Lager aufgeschlagen hätten und einige Mutigere im Gewächshaus und im Garten herumstocherten, weil sie offensichtlich annahmen, Asir hätte dort Zuflucht gefunden.
    Er sagte ihr, sie solle nicht mit ihnen reden, und als er schließlich nach Hause fuhr, geschah dies mit einiger Beklemmung angesichts des Empfangs, der ihn sowohl vor dem als auch im Haus erwartete.
    Zu seiner Überraschung und Erleichterung allerdings konnte er, als er in das entzückende heimatliche Schlafdorf einfuhr, keinerlei Anzeichen widerlicher Lebensformen erkennen, die in der Einfahrt zu seiner im georgianischen Stil erbauten Villa herumgelungert hätten, und seine Frau bestätigte, dass sie alle zehn Minuten zuvor plötzlich in ihre Wagen gestiegen und im Höllentempo davongerast seien.
    »Ich sagte dir doch, mach dir keine Sorgen«, erzählte er großspurig. »Das Gute an unseren Medien ist, sie sind wie Kinder, ihre Aufmerksamkeitsspanne ist sehr kurz. Um ihnen den Schmerz der Enttäuschung zu lindern, muss man ihnen nur ein noch größeres Vergnügen versprechen. So, und jetzt habe ich mir einen großen Gin Tonic verdient.«
    Er machte sich an die Zubereitung des Drinks, während seine Frau den Fernseher anschaltete, um die Vorabendnachrichten zu sehen.
    »Oh, schau mal, George«, sagte sie. »Ist das nicht unser See?«
    Einer der Vorzüge ihres Hauses lag für sie beide, die sie leidenschaftliche Vogelbeobachter waren, in dessen Nähe zu einem großen Speichersee, der eine gedeihliche Population von Stand- wie Zugvögeln aufwies.
    »Irgendwas ist dort los«, sagte Mrs. Stainton. »Ich hoffe doch, sie stören die Graugänse nicht.«
    Stainton drehte sich um. Die Kamera schwenkte über eine Menschenmenge, die sich am schilfigen Ufer des Speichersees versammelt hatte. Einige davon erkannte er. Das Verschwinden der Reporter erklärte sich daraus. Er hatte recht gehabt mit dem Versprechen eines größeren Vergnügens:
    Alle waren dort versammelt und drängten sich erwartungsvoll ans Ufer.
    Die Lautstärke war runtergedreht, aber er glaubte den Namen Carradice gehört zu haben, worauf ihn ein leichtes Unbehagen befiel. Er nahm einen Schluck aus seinem Glas, füllte es mit Gin auf und setzte sich daraufhin neben seine Frau. »Stellst du bitte lauter«, sagte er. Der Kommentator erklärte ganz offensichtlich nicht zum ersten Mal, dass sämtliche Pressestellen eine Nachricht erhalten hatten, in der verkündet wurde, jeder, der sich um den Ausgang des Carradice-Verfahrens sorge, solle sich bitte schön zum Speichersee begeben, wo etwas Interessantes zu finden sei.
    Die Kamera schwenkte nun über das Wasser.
    Etwa sechzig Meter weit draußen trieb ein Gummischlauchboot mit einem kurzen Mast und einem schlaff

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