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Der Tod und der Dicke

Der Tod und der Dicke

Titel: Der Tod und der Dicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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einer Gestalt, die ihm seltsam bekannt vorkommt.
    Er schwebt über ihr und versucht die vom Schlaf nivellierten Gesichtszüge in ein Muster mit einem Namen zu bringen.
    Plötzlich reißt die Gestalt die Augen auf. Das wache Gesicht erleichtert die Identifizierung.
    Aber da ist noch mehr in diesen Augen, etwas Unerwartetes, etwas, was Dalziel einen fürchterlichen Schrecken einjagt.
    Sie gehören zu Constable Hector, und es ist, als würden sie ihn wirklich sehen.
    Er wartet nicht, bis er es nachgeprüft hat, sondern flieht wie ein Geist bei Tagesanbruch zurück in die willkommene Bewusstlosigkeit des gestrandeten Wals.

2
    Das fünfte Gebot
    Wenn es wirklich eine Form des Überlebens ist, in den Gedanken seiner Freunde präsent zu sein, dann musste Andy Dalziel keine Angst haben, denn kaum eine Minute verging, in der nicht irgendjemand irgendwo in Mid-Yorkshire Gelegenheit gefunden hätte, an ihn zu denken.
    Manche dachten mit Liebe an ihn, mit Tränen, sogar in Gebeten. Andere mit der ruhigen Befriedigung, dass ein großes Hindernis ihrer Hoffnungen und Träume aus dem Weg geräumt war. Zahlreich und mannigfaltig waren die Auslöser ihrer Erinnerungen. Das Zapfen eines Pints, eine einfache Redewendung, das ferne Knallen einer Tür, der Schatten einer über einen Hügel treibenden Wolke, ein in der Sonne liegender Hund, der sich zufrieden kratzt.
    Und manchmal war es eine Situation, die in den Gedanken jener, die ihn am besten kannten, eine dieser philosophischen Wahrheiten wachrief, mit denen der Marcus Aurelius von Mid-Yorkshire sich gelegentlich dazu herabließ, ihr Leben zu bereichern.
    Solch eine Maxime sprang Peter Pascoe bei seiner Heimkehr am Freitagabend in den Sinn.
    Laut dem Großen Weisen Dalziel lautete das fünfte Gebot der Ehe: Bereite deiner Frau nie eine Überraschung, von der sie nichts weiß.
    Die ersten vier Gebote, hatte er fortgefahren zu erklären, dürfen nicht aufgeschrieben werden, sonst würde kein Mann mehr heiraten.
    Pascoe hatte das fünfte Gebot gebrochen, indem er beschloss, unangekündigt zu Hause aufzutauchen. Neben seinen männlichen Vorstellungen über die möglichen delikaten Folgen, Ellie unversehens aufzusuchen, gab es auch einen guten rationalen Grund für seine Entscheidung. Er hatte noch einige Dinge in Mid-Yorkshire zu erledigen, von denen er nicht wusste, wie lange sie dauern würden. Es war eine Sache, Ellie anzurufen und ihr zu sagen: »Hallo, Liebling, ich hab den Rest des Tages frei, schlüpf doch schon mal in was Bequemes wie zum Beispiel unser Bett, ich komm so schnell ich kann« – sie aber anzurufen und zu sagen: »Hallo, Liebling, ich hab den Rest des Tages frei, aber da sind noch ein paar Kleinigkeiten, die ich erledigen möchte und die ich für wichtiger erachte, als sofort nach Hause zu eilen«, das war doch etwas ganz anderes.
    Da die diversen Zerstreuungen mehrere Stunden in Anspruch genommen hatten, dünkte ihn seine Entscheidung äußerst klug, als er kurz nach sechs in seine Anfahrt einbog. Einladend erstreckte sich vor ihm der Abend. Nur sie beide allein im Haus. Freitagnacht war Rosie fort. Sie und einige Klassenkameradinnen übernachteten bei ihrer Freundin Mandy Pulman, mit deren Mutter Jane sie am darauffolgenden Morgen zum Schlittschuhlaufen wollten, wodurch das lange Ausschlafen garantiert war, das sich hoffentlich als notwendig erweisen würde.
    Leise öffnete er die Eingangstür. Tig kam ihm entgegen. Glücklicherweise begrüßte er jeden außer Rosie lautlos, und Pascoe belohnte seine Zurückhaltung, indem er ihm den Kopf tätschelte. In den Räumen unten war niemand zu sehen, von oben aber hörte er ein Geräusch. Es wurde immer besser. Vielleicht stand sie gerade unter der Dusche. Oder hielt ein Nickerchen. Seine Phantasie erblühte, während er auf Zehenspitzen die Treppe hinaufschlich und in Gedanken schon mal vorwegnahm, wie er in ihren Traum hineinschmelzen würde, so wie der Duft der Rose sich mit Veilchenduft verbindet. Vor ihm stand die Schlafzimmertür offen. Sacht drückte er sie auf.
    Ellie saß an ihrem Schminktisch und trug Lippenstift auf. Sie entdeckte ihn im Spiegel. Die tiefen dunklen Augen, die vollen karmesinroten Lippen rundeten sich vor Überraschung. »O Scheiße«, sagte sie.
    Das war nicht ganz die Begrüßung, die er sich erhofft hatte, aber sein Anschleichen hatte ja auch etwas Infantiles an sich, weshalb er zu Zugeständnissen bereit war, was ihm umso leichter fiel, da sie einfach umwerfend aussah.
    »Tut mir leid«,

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