Der Tod und der Dicke
sollte. Er kroch wieder ins Bett.
»Geht’s dir jetzt besser?«, fragte sie.
»Ja. Sehr viel besser. Aber vielleicht besuche ich am Morgen Andy. Und Hector auch.«
»Das ist eine gute Idee«, sagte sie.
Sie beugte sich zu ihm hinüber und gab ihm einen Kuss. Er wandte den Mund ab, da er trotz Zahnpasta, Gurgeln und milchigem Getränk im Rachen noch immer den schwachen Nachgeschmack von Erbrochenem verspürte. Sie küsste ihn trotzdem auf die Lippen.
Dann lagen sie beide da, Seite an Seite, taten so, als würden sie schlafen, während sie mit offenen Augen in die Finsternis starrten.
»Nein«, antwortete Pascoe sehr entschieden. »Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist. Onkel Andy ist sehr krank. Wirklich sehr krank.«
»Deshalb will ich ihn sehen.«
»Aber er ist noch nicht aufgewacht, er wird gar nicht wissen, dass du da bist.«
»Er wird auch nicht wissen, dass du da bist, und trotzdem gehst du hin.«
Was es aber auch nicht leichter machte, dachte sich Pascoe Übertrug er auf Rosie nur sein eigenes elendes Gefühl, wenn er daran dachte, an der Seite des Dicken zu sitzen und ihm einige verlegene, tölpelhafte Sätze ins Ohr zu murmeln? Dahinter allerdings stand die mittlerweile wachsende Überzeugung, dass dieser teilnahmslose Fleischberg, falls überhaupt, nur noch das melancholische, abflauende Tosen der Gezeiten des Lebens vernehmen konnte, die ihn dort hatten stranden lassen.
»Okay«, sagte Pascoe. »Wenn Mum sagt, es ist okay, dann kannst du mitkommen.«
12
Mann meiner Träume
Am nächsten Morgen, als Rosie vom angekündigten Krankenhausbesuch erfuhr, sagte sie: »Ich komme mit.«
Er sah zu Ellie, die ihm den Blick zuwarf, den er immer erhielt, wenn er ihr eine Entscheidung hinsichtlich Rosie auf-drängte. Mit gleichmütiger, freundlicher Stimme sagte sie:
»Natürlich kannst du mit, Liebling, wenn du es willst.«
»Ja, das will ich«, sagte das Mädchen. »Wann soll ich fertig sein?«
Sie klang sehr selbstbewusst, doch als sie sich Dalziels Zimmer näherten, konnte Pascoe vom verstärkten Druck ihrer Hand an seinen Fingern ablesen, dass sie ebenso nervös war wie er.
Er drückte die Tür auf. Mit Erleichterung sah er Cap Marvell am Bett sitzen.
Sie sprach zu der liegenden Gestalt in einem ganz natürlichen, leichten Tonfall, dem die Verkrampftheit seiner eigenen Bemühungen vollkommen fehlte.
Und so, als befände sie sich wirklich mitten in einer Unterhaltung, ließ sie ihnen ein freundliches Lächeln zukommen und redete einfach weiter, bis sie gesagt hatte, was sie loswerden wollte.
»… und der Scheißkerl sagt doch glatt, ich würde mich unerlaubt auf seinem Land aufhalten, und wenn ich nicht verschwinde, hätte er das Recht, mich rauszuschmeißen, und ich frage ihn, ob er seinen Traktor auch einhändig fahren kann, denn wenn er mich auch nur anfasst, würde ich ihm den Arm brechen. Dann habe ich den Tierschutzverband angerufen. Eine Stunde hab ich warten müssen, bis die kamen, aber ich hab ihm nicht getraut und befürchtet, er könnte dem armen Vieh den Schädel wegknallen und es wegschleifen und irgendwo verscharren, wenn ich gehen würde.
Aber hier sind Peter und Rosie gekommen. Hallo, ihr beiden. Rosie, wie geht es dir? Muss ja schon eine Ewigkeit her sein, dass ich dich gesehen habe. Du bist ja noch immer so schrecklich dünn, meine Liebe. Ich hoffe, du isst anständig. Wie geht es in der Schule?«
Amanda Marvell hatte vieles abgestreift, was ihr durch ihre Erziehung ankonditioniert worden war, ihre Einstellung zu Kindern allerdings war wie eh und je sehr vom Geist der Kindermädchen geprägt.
»Gut«, sagte Rosie.
Langsam ging sie um das Bett herum, als wäre sie entschlossen, sich einen möglichst vollständigen Blick vom Dicken zu verschaffen.
Cap hatte eine kleine Flasche in der Hand, die sie Dalziel nun unter die Nase hielt.
»Riechsalz?«, wollte Pascoe wissen.
Sie lächelte und hielt ihm die Flasche hin.
Torfiger Alkoholgeruch entströmte dem Gefäß.
»Lagavulin«, sagte sie. »Sehr charakteristisch.«
»Großer Gott. Meinst du wirklich, das nützt?«, fragte Pascoe zweifelnd.
»Dann sieh mal zu.«
Sie zog eine weitere kleine Flasche hervor, entfernte den Verschluss und hielt sie Dalziel unter die Nüstern, die sich augenblicklich vor Ekel zusammenzogen.
»Gin«, sagte Cap. »Kann man laut Andy nur zum Desinfizieren von Urinalen gebrauchen.«
»Was hält das Krankenhauspersonal von deiner … Behandlungsmethode?«
»Das Personal?«, kam es
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