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Der Tod und der Dicke

Der Tod und der Dicke

Titel: Der Tod und der Dicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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verwirrt. »Woher um alles in der Welt soll ich das wissen?«
    Sie war wahrhaftig beeindruckend. Pascoe war sich nicht absolut sicher, wie sehr sie ihn mochte, und obwohl sie sich ihm gegenüber immer freundlich benahm, hatte er gelegentlich doch das Gefühl, als betrachte sie ihn bloß als einen Leporello des großen Don. Von der Statur her eher wagnerianisch als mozartisch, war sie in dieser Hinsicht wenigstens die angemessene Begleitung des Dicken. Denn in ihrer Abstammung (Landadel), Ausbildung (St. Dorothy’s Academy) und Weltanschauung (Tierschutzbewegung, Greenpeace, Friends of Earth) war sie schottische Meilen weit von ihm entfernt. Im Bett … die kollektive Vorstellungskraft der Constables in Mid-Yorkshire lief Gefahr zu überhitzen, wenn sie von ihrer fleischlichen Beziehung phantasierten.
    »Wale tun es auch«, hatte PC Maycock einmal gesagt. »Ja, aber sie tun es im Wasser«, hatte PC Jennison darauf erwidert. Ob nun zu Wasser oder zu Land, der Dicke und seine dralle Buhle schienen es jedenfalls ganz gut hinzukriegen. Rosie hatte sich unterdessen auf der anderen Seite des Bettes auf einen Stuhl gesetzt und sich über Dalziel gebeugt. Mit weit aufgerissenen Augen fixierte sie sein Gesicht, ohne zu blinzeln.
    »Irgendwelche Veränderungen?«, sagte Pascoe.
    »Ich hatte den Eindruck, die Big Bands haben ihn allmählich gelangweilt, also hab ich die Minidisc gewechselt«, sagte Cap. »Ich dachte mir, das könnte ihm gefallen.«
    Sie zeigte ihm eine Minidisc-Hülle, die laut Eigenwerbung die perfekte Musik enthielt, um ein langweiliges angelsächsisches Neujahr in ein Hootenanny Hogmanay Ceilidh zu verwandeln.
    »Schön, schön«, sagte Pascoe. Die Welt, dachte er sich, war doch voller ernsthaft seltsamer Menschen. Er sollte es wissen, schließlich lebte er mit zweien zusammen.
    »Hör zu«, sagte er, »wir wollen nicht stören. Ein weiterer unserer Beamten liegt ebenfalls hier im Krankenhaus. Ich werde mal bei ihm vorbeischauen. Rosie, willst du mitkommen zu Constable Hector?«
    Das Mädchen reagierte nicht. Sie hatte sich mittlerweile so weit vorgebeugt, dass sie fast den Dicken berührte. Sie musste dazu sogar einige der Schläuche und Röhren wegschieben.
    »Rosie?«, sagte er leicht bestürzt. »Pass auf, dass du dich darin nicht verhedderst!«
    Polizistentochter schaltet Boss ihres Dads ab. Das wäre eine Schlagzeile, die der über Cousin Mick in nichts nachstand.
    »Rosie!«, wiederholte er schärfer.
    Sie stand auf und kam ans Ende des Bettes.
    »Okay«, sagte sie. »Gehen wir.«
    Pascoe kam sich wie ein Feigling vor; er konnte es kaum erwarten, nach diesem sehr kurzen Besuch gleich wieder zu gehen, allerdings hatte er wenigstens eine Entschuldigung parat, mochte sie auch noch so schwächlich sein, während Rosies Reaktion einfach nur völlig gleichgültig klang.
    Entschuldigend sah er zu Cap, die ihn ironisch angrinste, als wüsste sie, dass er die Flucht ergriff.
    »Vielleicht kommen wir auf dem Rückweg ja noch mal vorbei«, sagte er.
    »Nicht nötig«, sagte Rosie. »Im Moment haben wir alles erledigt.«
    Was die Sache nicht unbedingt besser machte.
    »Wir?«, sagte er streng. Und noch im selben Moment wurde ihm bewusst, dass er keineswegs das Gefühl hatte, er selbst oder Cap wären darin mit eingeschlossen.
    »Ich und Onkel Andy.«
    Wollte sie damit sagen, dass sie Abschied genommen hatte? Nicht die Frage, der er hier und jetzt nachgehen wollte.
    »Okay«, sagte er. »Gehen wir. Ach, Cap, übrigens, das wollte ich dir noch geben, für den Fall, dass er aufwacht.«
    Er reichte ihr die Plastiktüte mit Dalziels Gebiss.
    Zu seinem Schrecken traten ihr Tränen in die Augen. Sie glaubt ebenfalls nicht, dass er wieder gesund werden würde, dachte er sich.
    »Danke«, sagte sie und nahm die Tüte entgegen. »Schön, dass du gekommen bist. Und du auch, Rosie.«
    Nachdenklich sah das Mädchen sie an, dann sagte es: »Ich glaube, ihm gefällt die schottische Musik. Auf Wiedersehen.«
    Im Gang sprach Pascoe sie an. »Woher wusstest du, dass Cap Onkel Andy schottische Musik mitgebracht hat?«
    »Hat sie das nicht gesagt?«
    »Nein. Vielleicht hast du ja die Hülle gesehen.«
    »Ja, kann sein. Ich werde Onkel Andy fragen, ob er mir den Schwerttanz beibringt, wenn er nach Hause kommt. Er hat ein paar richtige Claymores auf seinem Dachboden.«
    Das stimmte. Pascoe hatte sie eines Abends gesehen, als er den Dicken nach der frenetischen Feier eines erfolgreich abgeschlossenen Falls auf einen Schlummertrunk nach

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