Der Tod und der Dicke
Ereignisse in der Mill Street ausgebreitet. Statt Applaus erhielt er von Wield den leeren Blick, den sich sonst ein Neuling für einen zusammengestümperten Bericht verdiente.
»Also, was hältst du davon?«, hatte er gefragt.
»Um es klarzustellen«, sagte Wield. »Deiner Theorie nach sind diese Templer, die Mazraani und Carradice ermordet haben, auch für den Bombenanschlag in der Mill Street verantwortlich. Sie wurden von Hector gestört, nachdem einer von ihnen eine Waffe abgefeuert hatte, vermutlich, um den Leuten da drin Angst einzujagen. Dann flüchteten sie über den Dachboden zum Haus am Ende der Zeile, Nummer sechs. Durch Hectors Eingreifen wussten sie von der Anwesenheit der Polizei. Das hielt sie aber nicht davon ab, den in Hausnummer drei zurückgelassenen Sprengsatz per Fernsteuerung zu zünden. Aber als sie hörten, dass du und Andy durch die Explosion verletzt wurdet, beschlossen sie, Stillschweigen zu wahren, da sie ihre Kampagne nicht mit einer verhunzten Operation beginnen wollten, bei der möglicherweise ein Polizist getötet worden war.«
»Genau«, sagte Pascoe und fragte sich, warum das, was ihm vor kurzem noch so klar gewesen war, nun plötzlich so undurchsichtig erschien.
»Und du sagst weiterhin, dass diese Templer, die dieses Chaos produziert haben, nicht nur ein Haufen durchgeknallter Wirrköpfe sind, die sich als eine Art Volksmiliz verstehen, sondern einer gut organisierten konspirativen Zelle angehören und wahrscheinlich jemanden in der CAT haben, der sie mit Informationen versorgt und sie deckt.«
»So kommt es mir vor«, erklärte Pascoe. »Schau dir die Indizien an! Die Kugel, die Obduktionsberichte, der Deckname von Freemans Observierungsaktion, die Reaktion der CAT, als ich in den Dingen herumzustochern begann …«
»Pete, wenn du von einem unserer DCs hören würdest, dass er aufgrund von Indizien wie diesen zu solchen Schlussfolgerungen gelangt, dann würdest du ihm eins auf den Deckel geben. Selbst wenn hinter der Mill Street mehr stecken sollte, als die CAT zugibt, dann halten sie es vielleicht nur deshalb zurück, weil es ihnen bei den Ermittlungen einen Vorsprung verschafft. Vielleicht haben sie, nachdem ihre Spurensuche das Gelände abgegrast hat, viel mehr gefunden und rücken damit nur nicht heraus, damit die Täter nicht wissen, dass sie ihnen aus dieser Richtung auf die Pelle rücken.«
Pascoe schwieg eine Weile und dachte nach. Es klang in vielem erschreckend vernünftig.
»Und warum lassen sie mich dann außen vor?«, fragte er schließlich.
»Genau deswegen: Weil du nicht zu ihnen gehörst, Pete. Du bist ein Außenseiter. Sie machen sich Sorgen um dich, nicht weil sie was zu verbergen haben, sondern weil du nach allem, was du erlebt hast – und nachdem Andy auch noch im Koma liegt –, eine wandelnde Zeitbombe abgibst. Wahrscheinlich hat dich Glenister genau aus diesem Grund in ihr Team aufgenommen. Damit sie ein Auge auf dich haben kann. Du hast ja selbst gesagt, dass man dich nur mit Pseudoaufgaben betraut.«
Er genehmigte sich mit dem Sergeant noch ein paar weitere Drinks, um ihm zu beweisen, dass er sich nicht aus der Fassung bringen ließ, auch wenn seine sorgfältig konstruierten Hypothesen auseinandergenommen wurden. Darauf kam er fast eine Stunde zu spät zum Abendessen, auf das er eigentlich keine Lust mehr hatte, das er aber als treu ergebener Gatte brav verdrückte.
Und das war das Ergebnis davon. Ein Albtraum, an den er sich nicht mehr erinnern konnte oder wollte, und ein Magen wie das Rote Meer, nachdem Moses seinen Stab darin eingetaucht hatte.
Er hielt den Kopf unter kaltes Wasser, putzte sich die Zähne, gurgelte und fühlte sich ein wenig besser. Als er aus dem Badezimmer wieder auftauchte, hatte Ellie ihm ein heißes, milchiges Getränk zubereitet.
Sie grub auch die von John Sowden bei Pascoes Entlassung aus dem Krankenhaus verschriebenen Tabletten aus. Er hatte nach einigen Tagen deren Einnahme verweigert und sie bei seinem Aufbruch nach Manchester zu Hause gelassen.
Er betrachtete sie voller Abscheu.
»Sie machen mich schläfrig«, wandte er ein.
»Du bist bereits im Schlafanzug, es ist verdammt noch mal zwei Uhr morgens«, sagte Ellie. »Nimm sie.«
Pascoes gute Fee hatte sich ihm gegenüber großzügiger erwiesen als gegenüber dem armen Hector, aber bis zu einem gewissen Grad teilten sie die Gabe des Überlebens, auch wenn Pascoes Version davon eine sehr spezielle war: Er wusste, wann er seiner Frau nicht widersprechen
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