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Der Tod und die Diebin (Bündnis der Sieben) (German Edition)

Der Tod und die Diebin (Bündnis der Sieben) (German Edition)

Titel: Der Tod und die Diebin (Bündnis der Sieben) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Swantje Berndt
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1888 killte Jack the Ripper sein erstes Opfer.“ Der Mann schüttelte sich und beobachtete mit Genugtuung das Größerwerden der Kinderaugen. „Insgesamt produzierte er fünf Leichen. Alle grässlich verstümmelt.“
    „Es waren sieben.“
    Der Mann zuckte zusammen, als er Daniel plötzlich neben seinen Söhnen stehen sah. „Wie auch immer. Jedenfalls waren es nur Huren. Allesamt.“
    Ein unsicheres Lächeln huschte über das feiste Gesicht. Daniel wollte den Unterkiefer dieses Mannes vor den Augen seiner Söhne zertrümmern.
    „Was sind Huren, Dad?“ Der kleinere der Jungen sah etwas blass zu seinem Vater auf. Der wechselte die Farbe.
    Daniel schob den Mann beiseite und legte die Rose vorsichtig in den Mörtelstaub, der aus den Mauerritzen gebrochen war.
    „Dad, was ist das für ein Kerl? Warum legt der eine Blume dahin?“ Wieder war es der kleinere von beiden, der gefragt hatte. „Und warum ist der schwarz angezogen? Und warum hat er …“
    Das scharfe Zischen seines Vaters unterbrach ihn. Daniel blieb hocken, als er nach den klammen Fingern des Knaben griff.
    „Gefällt dir London?“
    Der Junge nickte brav.
    „Warst du schon im Tower?“
    Nicken mit strahlenden Augen.
    „Ich bin einer, der sich an die Schreie der französischen Gefangenen noch erinnern kann, weil er selbst es war, der dort in rostigen Ketten mit ansehen musste, wie ihm das faulende Fleisch von den Knochen fiel.“
    Der Kinderblick wurde weit vor Schreck.
    „Lächerlich.“ Hektisch blätterte der Mann im Reiseführer. „Welche Franzosen? Es gibt dort schon lange keine Gefangenen mehr.“ Mit zusammengekniffenen Augen sah er Daniel vorwurfsvoll an. „Sie sind viel zu jung.“
    Er war auch in diesem Leben zu jung gewesen, das sich schleichend und qualvoll von ihm verabschiedet hatte.
    „Sie stutzen den Raben dort die Flügel, damit sie nicht fortfliegen können.“ Naseweis trat der ältere Bruder vor seinen Vater. „ Die Raben bringen der Festung Glück.“
    „So, tun sie das?“ Das Altkluge verschwand schlagartig aus der Miene, als sich Daniel aufrichtete und dicht vor den Jungen trat. „Damals musste man die Flügel nicht stutzen. Die Vögel blieben freiwillig dort. Weißt du , warum?“
    Paralysiertes Kopfschütteln antwortete ihm gepaart mit der Sensationsgier eines naiven Gemüts. „Weil es dort, am Ort der Qual und der Verdammnis, genug für sie zu fressen gab. Augäpfel bleiben lange frisch. Auch wenn der restliche Körper bereits zu stinken anfängt.“
    Die Gesichtsfarbe des Jungen wechselte ins Grünliche.
    „Hören Sie auf, meine Kinder zu ängstigen.“ Der dicke Mann brachte es trotz entschiedener Worte nicht über sich, sich zwischen seinen Sohn und Daniel zu stellen.
    „Es ist das Vorrecht der Wahrheit, zu ängstigen.“ Daniel drehte sich um und ging. Das ängstliche Gemurmel der Drei wurde leiser, als er auf die Brady Street abbog. Wenn er sich konzentrierte, konnte er das Blut und den Eiter riechen. Und den Verwesungsgeruch. Noch jetzt wurde ihm schlecht dabei. Er hatte seinen Geist unzähligen Raben aufgezwungen. Keiner war mit ihm davongeflogen. Stattdessen war er Zeuge geworden, wie er sich selbst ins Fleisch gehackt hatte. Als fremde Schreie sich in seiner Erinnerung mit seinen eigenen mischten, hielt er sich die Ohren zu. Es half nicht. Wie sollte es auch?
    „Es ist vorbei!“ Er brüllte es aus sich he raus. Was starrte ihn ein Mann mit einem Aktenkoffer an? Er hörte nicht, was Daniel hörte. Es musste ein Segen sein, vergessen zu können.
    Bis er vor der Filiale der Bruderschaft stand, hatte er sich so weit im Griff, dass niemand ihm die Gräuel ansah, die sein Inneres heimsuchten.
    Von außen glich das Haus einer Vorzeigetaverne aus einem Bilderbuch-London. Bei seinem ersten Besuch hatte Daniel Whitechapel als Brutstätte für Armut und zugewanderte Kriminalität erlebt. Auf den Marktplätzen Schlamm bis zu den Waden, Hurerei in stinkenden Hinterhöfen, der Gestank von Vieh und Mensch, die starrten vor Dreck. Und Kinder mit Hungerbäuchen, die die dürren Arme bis zur Achsel in Abfallhaufen versenkten, um zwischen gärendem Saft, Kot und Fäulnis nach Nahrung zu suchen. Die Zeiten hatten sich geändert. Er nicht.
    Das Eckhaus verbarg sich hinter dem Hospital, als ob es sich so vor den Strömen der Neugierigen schützen konnte. Bevor er den Messingring des Löwenkopfes berühren konnte, öffnete sich die Tür.
    „Mr. Levant? Sie werden bereits erwartet.“
    Die oberflächliche Höflichkeit

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