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Der Tod und die Diebin (Bündnis der Sieben) (German Edition)

Der Tod und die Diebin (Bündnis der Sieben) (German Edition)

Titel: Der Tod und die Diebin (Bündnis der Sieben) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Swantje Berndt
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dem Land in allen Leben nie länger als wenige Monate den Rücken gekehrt. Er wäre in der Kälte, irgendwo. Die Verbundenheit vieler Jahrhunderte würde ihn zu ihm führen. Freundschaft war ein guter Kompass für den Geist. Daniel fixierte den Himmel, lockte in sich die Sehnsucht nach Wind und Kälte, nach Schnee und Höhe. Hinter seinem Brustbein begann es zu flattern wie ein junger Spatz, der flügge wurde. Der Seidenschal schlang sich fest um seine Handgelenke. Mehr als sinnlos durch die Gegend rollen würde er nicht können. Daniel schloss die Augen. Für einen Moment klammerte sich sein Geist noch an ihn, ängstlich, nach all der Zeit. Dann schüttelte er ihn ab, warf ihn in den Winterhimmel. Er flog.
     
    *
     
    Die letzten Akkorde verklangen im Dom. Roope Turunen atmete die Vibration der Orgelpfeifen wie Luft. Dieses Volumen, dieser Donner, wenn er ihnen die Abgründe seiner uralten Seele anvertraute.
    „Sing für mich.“ Er schlug machtvolle Töne an. Die Härchen auf seinen Armen stellten sich auf. Das war es. Keine Elektronik reichte an diesen aus der Tiefe des Daseins kommenden Sound. Aus diesen Akkorden wurden Welten geschaffen. Diese Akkorde würde sie auch wieder einstürzen lassen.
    Die Johanniskirche war leer , e r konnte wüten, wie er wollte. Als dicke Schweißtropfen auf die Tasten fielen, brach er ab. Aus der Kälte einer finnischen Winternacht hatte er Disharmonien ins Leben gezerrt, die seinen Fans den Atem gefrieren lassen würden. Finster, eisig, glasklar. Roope lachte, bis das Kirchenschiff vibrierte. Er liebte seine Musik wie das Land, das sie gebar. Jedes Leben, das nicht in Finnland stattfand, war ein verlorenes.
    Sein Körper dampfte, als er die knarrenden Stufen hinabging. Aus den dunklen Ecken zwischen den Holzbänken wisperte ihm die Nacht zu, dass sie ihn liebte. Morgen würde er wiederkommen. Die Düsternis seiner Kompositionen entfaltete sich nur hier. Dennoch würde er zu Hause weiter experimentieren. Klänge warteten geduldig in der Dämmerung, um von ihm zueinandergeführt, umschlungen, geliebt und erwürgt zu werden.
    Der Volvo war mit zartem Schnee bedeckt. Über die Motorhaube zogen sich die Spuren von Vogelkrallen. Roope legte seine Hand darauf und ließ die dünnen Abdrücke unter seiner Hitze schmelzen. Es hatte eine Zeit gegeben, in der diese Zeichen ihm lieb und teuer gewesen waren. Jedes Krächzen eines Raben hatte ihn zum Himmel sehen lassen in der Hoffnung, dass der Vogel mehr war als ein nervöser Herzschlag und eine Ansammlung zerrupfter Federn. Sinnlose Schwermut pirschte sich durch die verschneite Straße. Roope stieg ein und ließ den Motor laufen, bis der Schnee von der Scheibe geschmolzen war. Die Eisschicht auf dem Asphalt ließ den Wagen bei jeder Kurve ausbrechen. Roope gab in den Scheitelpunkten Gas und nahm ließ den Wagen driften. Seine Leben waren wie diese Straße. In regelmäßigen Abständen brachen sie aus und führten i h n an den Rand sämtlicher Begrenzungen. Manchmal darüber hinaus. Dann begann ein Neues.
    Knapp vor seiner Windschutzscheibe segelte ein Rabe über die Fahrbahn. Er hockte sich auf einen Torpfosten, sah zu ihm. Eine unsichtbare Seite schlug in Roope an, schwang, heftiger, erzeugte uralte Töne. Er fuhr langsamer. Der Rabe blieb sitzen, sah ihm hinterher.
    Roope fuhr rechts ran und stieg aus. „Abay Coskun?“
    Der Vogel breitete seine Flügel auseinander und krächzte. Dann hob er ab, umkreiste Roope einmal, zweimal, dreimal. Sein Herz begann zu singen. Er streckte dem Tier den Arm entgegen, doch der Rabe flog knapp über ihn hinweg. Seine Krallen fuhren ihm durchs Haar und rissen eine Strähne dabei aus. Mit lautem Krächzen verschwand er in der Dunkelheit des Abendhimmels.
    Er war es.
    Freude ballte sich in seinem Bauch und explodierte in seiner Kehle. Der Rabengott. Der Gott der Ekstase und des Todes. Der Kerl hatte ihn tatsächlich gefunden.
    „Mein Name ist Roope Turunen!“ Über ihm erklang wieder ein Krächzen. „Wehe , du gestehst mir bei unserem Wiedersehen, dass du diesen Schwachsinns - Stunt allein fabriziert hast!“ Diese Torheit würde er ihm aus den Knochen prügeln und ihn erst dann in seine Arme schließen. Der sanfte Tod lebte, teilte sich eine Erdenzeit mit ihm. Roope jubelte wie ein Kind.
    Alle Mythen der Erde vereinigten sich zu einem heißen Strom des beginnenden Lebens, der den Tod durchfloss, um wiedergeboren zu werden. Er musste Urho, Nouel, Adone, Rochus, Abay, Ebenezer, oder wie er diesmal auch

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