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Der Tod Verhandelt Nicht

Der Tod Verhandelt Nicht

Titel: Der Tod Verhandelt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Morchio
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bewahrt.
    »Schöner Tag heute, was?«
    Sie nickte schweigend und musterte mich mit einer Mischung aus Provokation und Ironie. Unbehagen schien ich ihr nicht zu bereiten.
    »Kennen wir uns?«
    »Nein, aber das ist für mich kein Problem.«
    »Schüchtern sind Sie nicht gerade.«
    Ich hörte das stumpfe, kehlige »R« und den typischen Akzent der Franzosen sofort heraus.
    »Na ja, ich unterhalte mich gern mit Leuten. Und hier ist die Auswahl ja nicht groß.« Ich machte eine weitläufige Handbewegung, bei der ich mir selbst lächerlich vorkam. »Aber ich habe absolut nicht die Absicht, Sie zu belästigen. Wenn Sie lieber alleine sein möchten, brauchen Sie es bloß zu sagen.«
    Sie lächelte. »Nein, nein«, antwortete sie ruhig, so, als ob wir uns schon ewig kennen würden. »Manchmal finde ich die Einsamkeit hier auch …« Ihr fiel der richtige Ausdruck nicht ein. »…  
très lourd
 … wie sagt man: bedrückend?«
    Ich nickte und streckte ihr eine Hand entgegen. »Ich heiße Bacci Pagano und komme aus Genua.«
    »Martine Ganci.«
    Sie presste sich mit dem linken Arm das Bikinioberteil vor die Brust und reichte mir dann die andere Hand. Ich berührte sie nur ein wenig. Mit den Fingerspitzen.
    »Französin?«
    »Ja. Aus Marseille.«
    »Wie kommt’s, dass es Sie von der Côte d’Azur an diesen einsamen Strand hier verschlagen hat?«
    »In Nizza habe ich meinen Mann kennengelernt. Er ist in Tertenia geboren. Wie alle Sarden, die über die ganze Welt verstreut leben, wollte er im Rentenalter zurück in sein Heimatdorf. Und wie alle braven Ehefrauen bin ich ihm gefolgt. Deshalb bin ich jetzt hier.«
    »Ihr Mann hat großes Glück gehabt. Mit einer Frau wie Ihnen.«
    Sie antwortete nicht, sondern hielt das Bikinioberteil weiter mit einer Hand fest, stützte sich auf den Ellenbogen auf und begann dann ihre Tasche zu durchsuchen. Nach einer Weile nahm sie ein Fläschchen Sonnenöl heraus, streckte sich wieder auf dem Handtuch aus, gab ein paar Tropfen auf die Finger und rieb sich Gesicht, Arme und Schultern ein. Sie schien völlig in diese Tätigkeit versunken, wie eine Katze, die sich putzt. Als ob sie sich durch dieses Spiel mit der eigenen Haut ganz in sich selbst zurückziehen könnte und es ihr eine leichte Erregung verschaffen würde … Doch noch ehe ich den Gedanken zu Ende denken konnte, gab sie den Ball an mich zurück, ohne mich anzusehen.
    »Und Sie, Monsieur Pagano? Wie sind Sie in diesem gottverlassenen Nest gelandet?«
    »Das ist eine lange Geschichte. Es würde mehrere Vormittage dauern, sie Ihnen zu erzählen.«
    »Umso besser. Fangen Sie einfach mit der ersten Folge an.«
    »Belassen wir es bei einer Zusammenfassung: Also, ich komme seit über zwanzig Jahren hierher. Ich wohne bei dem Mann, der vor langer Zeit Wärter in dem Gefängnis war, in dem ich als Terrorist einsaß. Er ist seither einer meiner besten Freunde.«
    »Sie machen also Urlaub hier.«
    »Nicht ganz. Normalerweise komme ich im Juli oder August für die Ferien her. Dieses Mal bin ich hier, um einen jungen Mann zu suchen, der in großen Schwierigkeiten steckt.«
    »Ein Verwandter von Ihnen?«
    »Nein, ich kenne ihn nicht einmal. Die Angelegenheit ist rein beruflich.«
    »Wollen Sie damit sagen, dass Sie Detektiv sind?« Mit einem Schlag nahm ihr Gesicht einen ernsten Ausdruck an. Sie wandte den Blick von mir ab und murmelte gedankenversunken: »Komischer Zufall, dass ein Mann, der mal im Gefängnis gesessen hat, so einen Beruf ausübt.«
    »Was ist daran so komisch?«
    »Ich habe in meinem Leben schon viele Verbrecher kennengelernt. Mörder, die später Mönche geworden sind, und Polizisten, die zu Banditen wurden. Aber ein Terrorist, der sich in einen Polizisten verwandelt hat, ist mir noch nicht untergekommen.«
    Ich musste lachen. »Ich war nie ein Terrorist, ich wurde nur als solcher verurteilt. Und ich bin auch kein Polizist.«
    »Aber wenn Sie im Gefängnis waren und nun diesen Job machen, spielen Sie gern mit dem Tod.«
    »Sie irren sich. Ich spiele gern mit dem Leben. Mit dem Tod lasse ich mich nur ein, wenn mich jemand dafür bezahlt.«
    Sie ließ die Sonnenbrille auf die Nasenspitze gleiten und sah mich durchdringend an. Eine Frau, die sich nichts vormachen ließ.
    »Diese Narben da, haben Sie sich die bei der ›Arbeit‹ geholt?«
    »Sagen wir mal, das sind Kriegsverletzungen.«
    »Haben Sie schon mal jemanden umgebracht? Und wie war das?«
    »Ich habe mich danach übergeben und Fieber bekommen.«
    »Man sieht, Sie

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