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Der Tod Verhandelt Nicht

Der Tod Verhandelt Nicht

Titel: Der Tod Verhandelt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Morchio
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Grund. Ihr Vater ist ein interessanter Mann. Sie haben Glück, Gaia.«
    »Aglaja«, korrigierte meine Tochter sie trocken. »Das ist ein griechischer Name.«
    »Wirklich? Ich habe ihn noch nie gehört.«
    »Ihre Mutter und ich«, mischte ich mich jetzt ein, obwohl es völlig überflüssig war, »haben ihn gewählt, nachdem wir ›Der Idiot‹ von Dostojewski gelesen hatten.«
    »
Bon
, meine kleine Aglaja. Wie ich schon sagte, Sie haben wirklich Glück. Und Ihre Mutter auch …«
    Ich sah, wie Aglajas Gesicht einen wütenden Ausdruck annahm. Ihre Augen hatten sich bereits mit Tränen gefüllt.
    »Meine Eltern sind seit vielen Jahren getrennt«, konnte sie gerade noch sagen. Dann schnürte ihr einSchluchzen die Stimme ab, sodass ich endlich einschreiten musste.
    »Es reicht jetzt, Madame. Aglaja ist sicherlich sehr müde und muss sich ein wenig ausruhen.«
    »Ja, natürlich«, entgegnete Martine mit würdevoller, aber gekünstelter Stimme. »Es tut mir leid. Ich wusste ja nicht …«
    Ich schob sie zum Ausgang, mit einer Grobheit, die in etwa meinem Bedauern darüber entsprach, dass unser Treffen auf diese Weise enden musste, nachdem sie mir immerhin in einem Moment unerwarteter Intimität etwas über sich erzählt hatte, das sicherlich mehr Beachtung verdient hätte. Aber diese Frau benahm sich einfach ständig daneben und provozierte alle und jeden. Jedenfalls war jetzt meine Tochter hier, und niemand würde ihr mehr wehtun dürfen, nachdem ich ihr selbst schon genug angetan hatte. Niemand durfte Aglaja und mir die gemeinsamen Ferien vermiesen, auch wenn ich mich dafür vielleicht manchmal wie ein Grobian aufführen müsste.
    Von der Veranda aus sah ich Martine nach, die mir noch einmal flüchtig zuwinkte, bevor sie den Weg zum Strand einschlug, und drehte mich dann um. Auf dem Tisch, von dem der Wind das geblümte Wachstuch fortgerissen hatte, lag der bunte Rucksack von Aglaja. Und darunter auf dem Boden der kleine Hund, als ob er das Gepäckstück bewachen müsste. Dann kreuzte sich mein Blick mit dem meiner Tochter. Er war hart und ablehnend geworden.
    »Was ist denn das für eine blöde Kuh?«, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
    »Die Frau von jemandem, den ich gerade im Verdacht habe, dass der Sohn meines Auftraggebers vielleicht wegen ihm nach Tertenia …«
    Ich verstummte. Viel zu viele Worte, um auf eine so einfache Frage zu antworten. Viel zu viele Worte, die verrieten, dass ich das Bedürfnis verspürte, mich zu rechtfertigen.
    Aglaja merkte es sofort und ließ sich nicht die Gelegenheit entgehen, mich das auch spüren zu lassen.
    »Und was hat sie dann in deinem Schlafzimmer verloren?«
    »Sie ist zufällig hier vorbeigekommen …«
    Sie lachte belustigt, wenn auch ein bisschen angestrengt.
    »Hör zu, Papa. Wir sollten gleich mal eins klarstellen. Von mir aus kannst du ins Bett steigen, mit wem du willst. Aber bitte behandle mich nicht wie ein dummes, kleines Kind und erzähl mir keine Märchen.«
    »Oh, meine Süße … Diese Frau hat einen Knall, und wenn du nicht gekommen wärst, wäre ich ihr wahrscheinlich noch an die Gurgel gesprungen. Und das wäre uns beiden nicht gut bekommen.«
    »Ein Glück, dass ich da bin, oder?«
    »Für mich ist das wirklich ein großes Glück! Schließlich warte ich seit zehn Jahren auf dich.«
    Ich sah, wie ihre Augen bei diesen Worten vor Freude aufleuchteten. Sie umarmte mich, so, wie ich dastand, mit an die Seiten gepressten Armen. Ich merkte, dass sie mich nur mit Mühe umfassen konnte und sich ihre Fingerspitzen gerade eben berührten, sie drückte mich ganz fest an sich, mit einer Inbrunst, die ich nichterwartet hätte. Immerhin war ich ein Mann und hatte nichts als eine knappe Badehose am Leib.
    »Ich freue mich auch, dass ich hier bin«, sagte sie und betrachtete dann meinen nackten Oberkörper. »Was sind denn das für Narben?«
    »Arbeitsunfälle«, murmelte ich wie immer, wenn irgendjemand es wissen wollte, nur diesmal mit einem etwas verlegenen Lächeln. Meine Nacktheit war mir so unangenehm wie einem pubertierenden Jugendlichen. Das Handy, das auf einmal im Schlafzimmer klingelte, rettete mich. Ich ging hinein und spähte auf das Display. Clara.
    Ihre Antennen mussten ihr eingegeben haben, dass meine Tochter sich mir just in diesem Moment in einem  Maße näherte, das in ihr nicht nur Wut, sondern totale Ablehnung ausgelöst hätte. Ich überlegte,  was  ich tun sollte. Am Ende zog ich mir aus einem  unerklärlichen Reflex

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