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Der Tod Verhandelt Nicht

Der Tod Verhandelt Nicht

Titel: Der Tod Verhandelt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Morchio
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erdenklichen Blautönen glitzerte. Jetzt konnte ich vielleicht zwei Züge von dem Joint nehmen … Ich fand den Geschmack und das Aroma wunderbar. Ich wusste nicht, ob man dieses Gefühl schon als Glück bezeichnen konnte. Aber selbst wenn es einen anderen Namen hatte, kam es dem doch sehr nahe.

Feuermittag
    Eine Stunde später erhob ich mich aus dem Sessel. Ich konnte es nicht länger aufschieben. Ich musste den Hund endlich für mich arbeiten lassen. Nicht nur,damit er sich den ganzen Käse verdiente, den er schon verschlungen hatte.
    Die Tür zum Zimmer meiner Tochter stand weit offen. Aglaja war unter die Laken gekrochen und schlief zusammengekauert auf der Seite, genau wie als kleines Kind. Ich hörte ihren ruhigen Atem mit der gleichen Leichtigkeit über das Kissen gleiten, mit der sie sich von mir verabschiedet hatte. Ein Kuss und die Übergabe des Joints. Beides Gesten, die so natürlich waren, dass man vergessen konnte, dass wir seit Jahren keinen Kontakt gehabt hatten. Als wäre das alles nur ein böser Traum gewesen, nach dem wir langsam wieder anfangen konnten, zu leben.
    Der blaue Bademantel hing am Bettpfosten. Ich holte ihn mir, schloss sacht die Tür und ging ins Bad. Ich verspürte das Bedürfnis, wieder einen klaren Kopf zu bekommen und mein Gehirn von dieser diffusen Sehnsucht und der Dumpfheit zu befreien.
    Nach dem Duschen schrieb ich Aglaja einen Zettel, legte ihn gut sichtbar auf den Küchentisch und beschwerte ihn mit der leeren Bierflasche. Nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie demnächst aufwachen würde.
    »Muss was erledigen, komme gleich zurück. Wenn du was brauchst, ruf mich auf dem Handy an. Papa.«
    Ich setzte meine Sonnenbrille auf und trat ins Freie. In der Hoffnung, dass mich der Hund in die richtige Richtung führen würde, versuchte ich ihn mit einem großen Stück Pecorino zu mir zu locken. Allerdings kannte ich noch nicht mal seinen Namen.
    »Ich weiß noch nicht mal, wie du heißt«, sagte ichzu ihm, während wir die asphaltierte Zufahrtsstraße hinaufgingen.
    Auf dem Fußweg blieb ich stehen und schaute den Hund so lange an, bis er sich in Bewegung setzte und in Richtung Campingplatz und Capo Sferracavallo lostrottete. Wir liefen etwa fünf Minuten am Straßenrand entlang, während der Mistral gnadenlos über uns hinwegfegte. Gelegentlich konnte man noch den Rauchgeruch wahrnehmen, der seit dem Vorabend in der Luft lag. Den Geruch ferner Macchia-Brände. Über den Spitzen des Monte Cartucceddu breitete sich ein kobaltblauer Himmel aus. Obwohl ich weder gefrühstückt noch zu Mittag gegessen hatte, verspürte ich keinen Hunger. Mein Magen war einzig und allein von dem Glücksgefühl erfüllt, dass meine Tochter bei mir war.
    Nachdem wir die letzten Häuser hinter uns gelassen hatten, folgten wir der am Berg entlanglaufenden Straße. Das Meer lag nun tief unten zu meiner Rechten. Die grüne Macchia am Fuße des Cartucceddu war durchsetzt vom Graublau der Erde und von den großen gelben Flecken der blühenden Zistrosensträucher.
    Irgendwann verließ der Hund die Straße und schlug einen Pfad zwischen zwei Macchia-Büschen ein. In der Ferne erblickte ich eine winzige Behausung aus weißem Stein. An einigen Stellen war der Weg extrem steil, sodass ich mit meinen Espadrilles aufpassen musste, dass ich nicht abrutschte.
    Kaum hatte er die Hütte erreicht, verschwand der kleine Hund durch die Tür, um kurz darauf mit dem Jungen vom Strand wieder herauszukommen. Ungefähr zehn Meter von der Hütte entfernt war ich stehengeblieben. Das Tier lief mehrmals zwischen uns hin und her, als wollte es uns einander vorstellen. Der Hirtenjunge trug dasselbe schwarze T-Shirt wie vor zwei Tagen sowie kurze Hosen. Auf seinem sonnenverbrannten Gesicht las ich Misstrauen und Angst. Um ihn zu beruhigen, begrüßte ich ihn mit einem Lächeln.
    »Ciao.«
    Der Junge rührte sich jedoch nicht, und so versuchte ich es auf anderem Weg.
    »Ist das dein Hund? Er kommt seit zwei Tagen ständig zu mir und lässt sich mit Pecorino vollstopfen.«
    Schweigen.
    »Wie heißt er denn?«
    Immer noch Schweigen. Also ging ich mit langsamen Schritten bedächtig auf ihn zu.
    »Hat er keinen Namen?«
    »Sie sind bestimmt nicht gekommen, um den Namen meines Hundes zu erfahren.«
    »Und warum dann?«
    »Weil Sie jemanden suchen.«
    Jetzt war ich ganz nah bei ihm, sodass er mir nicht mehr entkommen konnte. Allerdings schien er das auch gar nicht vorzuhaben.
    »Weißt du auch, wen ich suche?«
    »Im Dorf reden alle

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