Der Tod Verhandelt Nicht
Mitleid mit ihm, sagte mir aber dann, dass er zu welterfahren war, um sich von solchen Frauen bezirzen zu lassen. Und überhaupt – wen kümmerte es schon?
Via, via, entrae fatti un bagno caldo, c’è un accappatoio azzurro, fuori piove un mondo freddo …
Ich lag ausgestreckt auf der Pritsche und versuchte gerade, Virgilios lachenden Blick zu deuten, als ich bemerkte, dass jemand neben mir lag. Ich drehte mich um. Aglaja. Sie sah nicht aus wie jetzt, sondern wie damals. »Als du sie verlassen hast!«, schrie mir ihre Mutter von der Tür aus zu. Meine kleine Tochter schmiegte ihren weichen, warmen Körper schutzsuchend an mich …
Plötzlich schreckte ich hoch – und stellte fest, dass meine Tochter tatsächlich neben mir lag. In ihrem dünnen, kurzärmeligen Schlafanzug drückte sie sich an mich, und ich hörte ihren warmen, regelmäßigen Atem. Fast hätte ich das Licht angeschaltet, aber dann sagte ich mir, dass das keine gute Idee war. Also beugte ich mich nur ein wenig hinüber, um die Decke über sie zu ziehen. Die Bewegung missfiel ihr, und sie protestierte wie ein Welpe, der im Schlaf gestört wird. Ich deckte sie dennoch zu und schlief dann wieder ein,während draußen der Mistral durch die Nacht brüllte wie ein verletztes Tier.
Als mich ein energisches Klopfen an der Tür erneut weckte, verriet mir ein schneller Blick auf die Uhr, dass es bereits Viertel nach zehn war. Die Sonne drang längst durch die geschlossenen Fensterläden. Wir hatten geschlafen wie benommen, tief und fest. Aglaja hatte sich auf die Seite gedreht. Ich hörte Virgilios Stimme, die mich von der Veranda her rief.
»Bacci, bist du zu Hause?«
Schnell lief ich zur Tür und machte ihm auf. Grelles Licht blendete mich, und die noch kühle Luft roch nach Erde. Der Wind sammelte alle Stimmungen der Natur in sich und wehte sie zum Meer hinunter. Der Rauchgeruch war stärker geworden, der Waldbrand war wohl näher gekommen. Virgilio wirkte fröhlich, fast unbeschwert. Er trug das übliche blaue T-Shirt und einen schmutzigen kupferfarbenen Overall.
»Gut geschlafen? Willst du einen Kaffee? Habe gerade eine Kanne aufgesetzt.«
»Gerne«, sagte ich und gähnte herzhaft. »Ich habe seit Jahren nicht mehr so gut geschlafen. Neun Stunden am Stück. Noch nicht mal zum Pinkeln musste ich raus.«
»Tja, mein Freund, die Luft von Sarrala wirkt eben Wunder.«
»Die Luft von Sarrala und die Tatsache, dass meine Tochter bei mir ist«, sagte ich und machte mich auf den Weg ins Bad, um meine Blase zu leeren.
Als ich zurückkam, standen auf dem Tisch zwei leereKaffeetassen und der dampfende Espressokocher. Virgilio schenkte ein und setzte sich in einen der Korbsessel.
»Was hältst du von ihm?«, fragte er mich und pustete dann in die Tasse, die er mit beiden Händen umklammerte.
»Von wem? Aristarco?«
Er nickte und begann, den Kaffee zu schlürfen. An das Eisengeländer gelehnt, ließ ich den Blick übers Meer schweifen, das hinter den Pinien und Lentisken in der Morgensonne ausgebreitet vor uns lag. Noch einer dieser Tage voller Sonne und Wind. Von irgendwoher, vielleicht aus den Zweigen des Johannisbeerbaumes, hörte man eine Nachtigall singen.
Ich setzte mich und nahm einen Schluck Kaffee. Er war stark und heiß und flößte mir sofort ein Gefühl von Wohlbehagen ein.
»Dieser Mann gefällt mir irgendwie nicht.«
Ich kniff die Augen zusammen, denn auf dem Pfad in den Weinbergen hatte ich plötzlich den kleinen Hund entdeckt, der auf unser Haus zutrippelte.
»Ich habe mich mal ein bisschen umgehört. Es ist da so ein Gerücht im Umlauf. In den letzten Tagen ist Aristarco öfter in Gancis Villa gesehen worden«, erklärte Virgilio nun. »Es sieht ganz danach aus, als verhandele er den Grundbesitz des Alten. Man munkelt, dass es um ein Geschäftsvolumen von mehreren Millionen Euro gehe.«
»Ganci verkauft?«
»Es heißt, dass er eine Art Ausverkauf betreibt, zu regelrechten Schleuderpreisen.«
»Ist er auf einmal zum Wohltäter geworden?«
»Wohl nicht für alle, nur für manche hier.«
»Und wer sind die Glücklichen?«
»Das weiß man nicht genau.«
Ich seufzte und trank meinen Kaffee aus. »Ich habe das Gefühl, dass hier vor unseren Augen ein Riesending gedreht wird, von dem wir so gut wie nichts mitbekommen.«
»Das Gefühl habe ich auch.«
Der kleine Hund war inzwischen bei mir angelangt und strich mir um die Beine. Bestimmt war er gekommen, um sein Frühstück einzufordern. Der arme Kerl war sich nicht bewusst,
Weitere Kostenlose Bücher