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Der Tod Verhandelt Nicht

Der Tod Verhandelt Nicht

Titel: Der Tod Verhandelt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Morchio
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noch nicht, ob ich dich mag.«
    »Du hast recht, das kannst du noch nicht wissen. Es ist zu viel Zeit vergangen. Für mich ist das leichter, ich bin dein Vater. Ich weiß, dass ich dich lieb habe.«
    Sie antwortete zuerst nicht, aber ich sah sie aus den Augenwinkeln an und glaubte, ein Lächeln auf ihren Lippen zu erkennen.
    »Ich bin es nicht gewohnt, dass es mir jemand sagt, wenn ihm etwas leidtut«, sagte sie schließlich ernst und entschieden.
    »Und wie wirkt das auf dich?«
    »Es erschreckt mich ein bisschen. Ich muss wohl besser aufpassen, was ich sage.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Das habe ich so von meinem Vater gelernt. Ich muss für mich allein entscheiden, ob ich recht oder unrecht habe.«
    Wir hatten das Ortsschild von Tertenia hinter uns gelassen und fuhren jetzt geradewegs die Schnellstraße vor der Abzweigung zur Marina von Sarrala entlang. Lang gezogene weiße Wolken flogen vom Wind gepeitscht am Himmel dahin und verdeckten für einen Moment die Sonne, sodass Schatten eilig über die Felswände und das trockene Kiesbett im Tal hinwegzogen. Doch die Tage waren lang, und es würde noch eine Weile dauern, ehe die Sonne sich in den Abgrund hinter den Bergen im Westen stürzen würde. Die Hitze war unerträglich geworden.
    »Mädels«, sagte ich, »morgen geht es an den Strand zum Baden.«
    »Wirklich?«, fragten sie fast einstimmig.
    Die Anzeichen waren eindeutig – abgesehen davon, dass ich mich auf die Vorhersage meines Freundes verlassen konnte. Seine Bauernweisheit schützte mich vor dem Risiko, eine schlechte Figur abzugeben. Aglaja würde langsam daran glauben, dass ihr Vater manchmal auch die Wahrheit sagte.
    »Wirklich«, antwortete ich voller Überzeugung. »Der Mistral lässt schon nach.«

Der Tod
    Der Tod verhandelt nicht
    Wie ein Buddha, der sich nur widerwillig ans Meer hatte mitschleifen lassen, saß Virgilio im Schneidersitz auf einem kleinen Handtuch, sein beachtlicher Bauch ruhte auf den Oberschenkeln. Am Strand empfanden die Leute aus dem Innern der Insel immer ein leichtes Unbehagen – wahrscheinlich wegen der Badehose, in der sie sich vorkamen, als trügen sie Unterwäsche. Er rutschte nervös hin und her, und ab und an sah er auf die Uhr, während er mit seinen dicken Fingern an der Toscano herumknetete, die er aus der achtlos in den Sand geworfenen Ledertasche gezogen hatte.
    Ich lag, auf die Ellenbogen gestützt, auf dem Bauch und sah Aglaja und Laura entgegen, die gerade zum Ufer zurückkamen, nachdem sie bis zu den Bojen hinausgeschwommen waren. Das Meer gurgelte leise vor sich hin, verhaltene Wellen schwappten an den Strand und hinterließen einen leichten Salzgeschmack auf unserer Haut. Am Strand waren nur wenige Badegäste, die verstreut und so weit voneinander entfernt dalagen, dass ein Kennenlernen oder ein Gespräch unmöglich war. Unter ihnen befand sich auch die Französin. Als sie uns kommen sah, hatte sie sich darauf beschränkt, kurz zu winken. Das war auch besser so, denn ich hatte nicht die geringste Lust, sie an diesem ersten Strandtagmit meiner Tochter um mich zu haben. Zudem schien sie völlig in ein Buch versunken zu sein; nur ab und an drehte sie sich um, um ihren Körper von allen Seiten gleichmäßig zu bräunen. Ein einziges Mal sah ich, dass sie aufstand und baden ging, aber bald vergaß ich sie und widmete meine Aufmerksamkeit wieder unseren Töchtern.
    Die beiden Mädchen liefen lachend und einander neckend auf uns zu. Aglaja trug einen knallroten Bikini, dessen Farbe sich auffällig von Lauras schwarzem Badeanzug abhob. Ihre ausgelassenen Rufe stiegen in den Himmel auf, der vom Mistral rein gewaschen war und nun von einer leichten Brise sauber gehalten wurde, dem Grecale, der vom Capo Sferracavallo herüberwehte und die türkisfarbene Wasseroberfläche nur  leicht kräuselte. Die Sonne stand hoch über dem Meer und wärmte die Haut mit einer Sanftheit, die sich wie die Küsse einer schönen verliebten Frau anfühlte.
    Während sich Virgilio die Zigarre anzündete, ließen sich unsere Töchter neben uns auf ihre Handtücher fallen. Laura war ihrer Mutter sehr ähnlich. Klein und schlank, mit ihrem rabenschwarzen, über die Schultern fallenden Haar und der dunklen Haut sah sie fast aus wie eine Mulattin; wären ihre Beine im Vergleich zum Körper etwas länger gewesen, hätte sie durchaus als Kubanerin oder Brasilianerin durchgehen können. Ihre anthrazitfarbenen Augen reflektierten in der Sonne den Schein einer wilden Schönheit. Aglaja war

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