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Der Tod Verhandelt Nicht

Der Tod Verhandelt Nicht

Titel: Der Tod Verhandelt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Morchio
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größer und kräftiger als ihre neue Freundin und wirkte neben ihr noch blasser als sonst. In ihren sonnengebleichten Haaren sah ich Strähnen in der Farbe von reifem Korn.Ihre unbeholfenen Bewegungen gaben ihr etwas Unfertiges, Kindliches. Vielleicht zog sich ihre Kindheit in die Länge, da ihr immer etwas gefehlt hatte. Beziehungsweise jemand.
    Die beiden erweckten den Anschein, als wollten sie etwas Wichtiges mit uns besprechen.
    »Papa«, begann Laura, »ein Freund hat Bacci gestern etwas über Mario Canu erzählt.«
    Ich hatte die ganze Zeit befürchtet, dass wir sie irgendwann in die Sache mit hineinziehen würden, und das gefiel mir ganz und gar nicht.
    »Das geht euch nichts an«, sagte ich deshalb schnell. »Es ist besser, wenn ihr euch da raushaltet.«
    Doch Laura ließ sich nicht davon beeindrucken.
    »Papa, ist Mario Canu tatsächlich ermordet worden?«
    Virgilio fuhr zusammen, und als er antwortete, konnte er nur mit Mühe seine Wut unterdrücken. Wie ein Schnellkochtopf, dessen Ventil unter Druck stand und der kurz vorm Explodieren war.
    »Das kann niemand wissen. Und wie Bacci schon sagte: Das sind keine Themen für junge Mädchen.«
    »Aber du hast das doch immer behauptet«, beharrte Laura.
    »Ich habe nur gesagt, dass ich glaube, dass er tot ist.«
    »An Altersschwäche wird er ja wohl kaum gestorben sein«, wandte das Mädchen trocken ein.
    »Warum wollt ihr denn nicht darüber sprechen?«, sprang Aglaja ihrer Freundin nun bei. »Was steckt hinter dieser ganzen Heimlichtuerei? Ist es wegen deiner Ermittlungen, Papa? War Mario Canu einervon den Männern, die den Geldtransporter überfallen haben?«
    »Genug jetzt«, knurrte Virgilio unwirsch. »Das sind keine Themen für euch. Wenn euch die falschen Leute hören, könntet ihr ernsthafte Probleme bekommen.«
    »War es der Mann von der Französin?«, setzte Aglaja noch eins drauf.
    Unwillkürlich lief mir ein Schauer über den Rücken. Meine Tochter hatte eine scheinbar naive Miene aufgesetzt, die bei mir eher Wut als Zärtlichkeit auslöste. Aber das machte sie für mich nur noch schöner, denn ihre Augen waren größer geworden. Meine Tochter hatte riesengroße braune Augen, die im Sonnenlicht glitzerten. Die gleichen Augen wie ihre Mutter. Ich hatte sie schon einmal verloren, ich wollte nicht, dass mir das noch einmal passierte.
    »Aglaja, jetzt reicht’s«, sagte ich deshalb schroff.
    Sie zuckte mit den Schultern und wechselte einen wissenden Blick mit Laura.
    »Wir haben es satt, von euch wie Kleinkinder behandelt zu werden«, polterte sie los. »Haltet ihr uns für blöd?«
    »Ihr könnt uns nicht so im Unklaren lassen«, fuhr Laura fort.
    »Wenn wir wirklich in Gefahr sind, wäre es besser, zu wissen, worum es hier eigentlich geht.«
    »Wir könnten uns darauf einstellen und wüssten, mit wem wir sprechen dürfen und mit wem nicht.«
    »Darüber«, zischte Virgilio, der mit seinen weit aufgerissenen Augen selbst ein Wildschwein in die Flucht geschlagen hätte, »dürft ihr mit
niemandem
sprechen!Ist das klar? Wir wissen ja nicht einmal, was wirklich passiert ist …«
    »Aber    …«, wollte Laura einwenden, doch Virgilio redete schon weiter.
    »Wir wissen nur, dass irgendetwas Schreckliches passiert sein muss. Etwas, das vielleicht noch nicht ausgestanden ist. Ihr müsst euch da wirklich raushalten, habt ihr verstanden? Wenn euch etwas passiert, würden Bacci und ich uns das nie verzeihen.«
    »Ihr seid also selbst in Gefahr«, sagte Aglaja und schaute mich durchdringend an.
    »Wir können aber damit umgehen«, erwiderte ich ärgerlich.
    »Wird es noch mehr Tote geben? Hast du die Pistole bei dir, Papa?«
    »Nein«, log ich.
    »Lügner! Ich habe sie in deiner Tasche gesehen.«
    »Aglaja, so etwas erlaubst du dir kein zweites Mal!«
    »Und du hörst auf, uns Märchen zu erzählen.«
    Es war nichts zu machen. Aglaja war eindeutig die Tochter ihrer Mutter, eine verkleinerte Ausgabe von Clara. Innerhalb von nur einer Minute hatte sich unsere gelöste Ferienstimmung ins blanke Gegenteil verkehrt. Alle schwiegen und gaben vor, in ihre eigenen Gedanken vertieft zu sein. Dabei dachte jeder von uns nur an die anderen, das Herz schwer von Sorge und Enttäuschung. Virgilio und ich waren völlig verkrampft vor Angst, und die Mädchen waren verletzt in ihrem Stolz, da sie es nicht erwarten konnten, wie erwachsene Frauen behandelt zu werden. So war das immer mit Menschen, die man liebte. Wenn etwasschieflief, wollte man am liebsten den Schaden sofort

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