Der Tod Verhandelt Nicht
trocken.
Ich stand auf dem Fußweg, mit dem Abfallsack in der Hand. Kaum hatte Aristarco mich entdeckt, fuhr er vor Schreck zusammen. Er riss die blauen Augen auf, als hätte er gerade ein Gespenst gesehen. Doch er bewahrte Haltung.
»Wir beide laufen uns aber auch ständig über den Weg«, meinte er.
»Na klar«, antwortete ich ruhig. »Wir schwirren ja auch beide um Ganci herum wie die Schmeißfliegen um einen Scheißhaufen.«
Konsterniert zuckte er zusammen. Er wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Doch die Französin half ihm aus der Patsche.
»Ts, ts, solche Ausdrücke in Gegenwart einer Dame. Eine kultivierte Ausdrucksweise gehört nicht gerade zu Ihren Stärken, Monsieur.«
»Ich wollte nur beim Thema bleiben, Madame. Sie hatten doch gerade von dem Dreck gesprochen, den Ihr Mann Ihnen vorsetzt.«
»Sie hätten wenigstens sagen können wie Bienen um den Honig. Das wäre nicht ganz so vulgär gewesen.«
»Na ja, Signor Aristarco als Totengräber zu bezeichnen, ist auch nicht gerade die feine englische Art.«
»Totengräber?«, platzte es aus Aristarco heraus, und sein Gesicht wurde noch röter, als es ohnehin schon war.
Als er verschwitzt vor uns aufgetaucht war, war er bereits völlig außer Atem gewesen. Er musste den leicht ansteigenden Strandweg fast schon entlanggerannt sein, sicher hatte er befürchtet, zu spät zu seiner Verabredung mit der kapriziösen Madame Ganci zu kommen.
Auch bei Martine war mein Spruch nicht gut angekommen, denn sie sah mich mit einem giftigen Blick an und zischte mir in ihrer Sprache, die Aristarco offenbar nicht verstand, zu:
»Vous êtes un homme méprisable. Je ne vous conterai plus rien sur moi
.«
Sie hatte den gleichen Ton an sich, in dem sie sonst mit ihrem Mann sprach, mich ließ er jedoch völlig kalt. Die Worte wie auch den Ton kannte ich von meiner Exfrau, wenn sie mich auch in Italienisch anschrie. In tadellosem Italienisch. Clara hatte nämlich Philologie studiert, genau wie ich.
»Ich fürchte, ich habe nicht ganz verstanden!«, blaffte Aristarco mich an. Der Satz war aus ihm herausgeschossen wie der Korken aus einer nicht ausreichend gekühlten Champagnerflasche, dem augenblicklich auch der Schaum folgen würde, und tatsächlich setzte er hinzu: »Sie sind ein elender, feiger Provokateur!«
»Ich habe bloß nicht die geringste Lust, Sie zu treffen. Das ist alles.«
»Ein Lügner sind Sie also auch noch!«
»Da irren Sie sich. Madame Ganci kann bezeugen,dass ich ein überaus ehrlicher Mensch bin.« Ich wandte mich an Martine, die sich inzwischen erhoben hatte. »Sagen Sie es ihm, Madame. Arbeite ich für Ihren Mann?«
Ohne zu antworten und ohne mich anzusehen, zuckte sie nur mit den Schultern und stolzierte in Richtung der Nuraghen-Straße davon, während Aristarco sich mir mit bedrohlicher Miene näherte. Am liebsten hätte er mir wohl eine reingehauen, doch als er so nah vor mir stand, dass ich sehen konnte, wie sein Bauch die Knopfleiste seines Hemds spannte, erwies sich unser Größenunterschied anscheinend als überzeugendes Argument, sich mit verbalen Attacken zu begnügen.
»Das wird Sie teuer zu stehen kommen«, stieß er deshalb hervor. »Irgendjemand wird Sie früher oder später dafür zahlen lassen.«
»Na, na, ganz ruhig«, antwortete ich. »Jetzt, wo Sie mit Madame Ganci so ein vertrautes Verhältnis haben, wird sie Ihnen bestimmt alles erklären und Sie davon überzeugen, dass ich nichts mit ihrem Mann zu schaffen habe. Seine Geschäfte interessieren mich einen feuchten Kehricht. Ich bin hier auf der Insel, um den Sohn von Gabriele Sanna zu suchen. Nur dafür werde ich bezahlt, mehr nicht.«
»Wenn ich vorhin noch Zweifel hatte – jetzt bin ich mir sicher, dass das nicht stimmt.«
»Fragen Sie sie nur, fragen Sie Madame!«
Martine entfernte sich jedoch mit schnellen Schritten, die ihre ganze Verachtung und ihren Widerwillen gegen unser Scharmützel ausdrückten. Bekanntlich erwarten Frauen von Helden entschlossenes Handeln.Wenn Aristarco seine
pattada
herausgeholt und mich aufgeschlitzt hätte, dann stünde er jetzt wahrscheinlich hoch in ihrer Gunst. Wahrscheinlich waren wir in ihren Augen aber nur zwei aufbrausende, ungeschlachte Kerle, die mitten auf der Straße ihre männlichen Territorialkämpfe austrugen wie zwei betagte Streithähne, die im Laufe der Zeit vorsichtig geworden waren, weil sie schon allzu viele Federn gelassen hatten.
Aristarco rannte Martine hinterher und holte sie auf der Nuraghen-Straße ein, und ich
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