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Der Tod Verhandelt Nicht

Der Tod Verhandelt Nicht

Titel: Der Tod Verhandelt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Morchio
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sah mit Erleichterung zu, wie sich die beiden entfernten. Erschreckende Szenarien formten sich aus den bedrohlichen Schatten, die dieser Abend vorauswarf, doch ich beschloss, ihnen keine Beachtung zu schenken und endlich den Müllsack zu entsorgen.
    Das Abendessen war schmackhaft und überaus reichlich. Die Mädchen schienen vergessen zu haben, dass die Koteletts aus Pferdefleisch waren, und aßen mit großem Appetit. Dem armen Hund ließen sie nur ein paar abgenagte Knochen übrig. Wir Erwachsenen schütteten eine ganze Flasche Cannonau hinterher. Mit der Ausrede, dass ich mich nicht vor meiner Tochter betrinken wollte, konnte ich gerade noch den Verdauungsschnaps abwehren, den Virgilio schon aus dem Kühlschrank holen wollte. Aber in Wirklichkeit schmeckte mir der
abbardente
nicht und bereitete mir obendrein Kopfschmerzen.
    Meine Begegnung mit Martine Ganci und Aristarco erwähnte ich nicht, sondern beschloss, am nächsten Tag mit Virgilio allein darüber zu sprechen.
    Die Luft war so trocken, dass wir die Räucherkerzennicht anzünden mussten, um uns die Mücken vom Leib zu halten. Plötzlich stieß Aglaja einen Freudenschrei aus und zeigte auf die Lampe, die die Veranda erhellte.
    »Guckt mal!«
    Wir schauten nach oben. Aus dem Rollladenkasten war ein handtellergroßer Gecko herausgekrochen.
    »Ganz schön kräftig, das Kerlchen«, bemerkte Laura. »Sieht aus wie ein Kotelett.«
    Die Haut des Tieres hatte die Farbe von trockenem Laub, sein Rücken war mit zahlreichen schwarzen Streifen übersät, die an die Adern eines Blattes erinnerten. Vorsichtig näherte er sich der Lichtquelle, wo ein Nachtfalter auf der Suche nach Wärme Platz genommen hatte – mit fatalen Folgen. In andächtiger Stille wurden wir Zeugen des unvermeidlichen Epilogs. Der Gecko kroch näher heran und verschwand unter der Lampe. Dann schnellte er nach vorn und verschlang den Nachtfalter mit einem Bissen, während die Mädchen die Szene mit einem Stierkampf-Schlachtruf untermalten:
»Olé!«
    Auch Virgilio als eingefleischter Jäger goutierte das Spektakel. Angelica dagegen rief voller Mitgefühl: »Der Arme! Friede sei mit dir«, was der Opferung des armen Falters einen würdevollen Touch verlieh.
    Zwischen dem Johannisbrotbaum und dem Hibiskus schimmerte die Sichel des Mondes über dem Meer und tauchte den Feigenbaum in ein silbernes Licht. Schwer lag der Duft der Blüten in der Luft und verführte dazu, sich von den beunruhigenden Ereignissen der letzten Tage einfach wegzuträumen. Der kleine Hund warsatt und glücklich unter dem Tisch zu Aglajas Füßen eingeschlafen. Die Stille der Nacht hüllte mein Feriendomizil ein wie die Schale einer wundertätigen Frucht. Sarrala schien wieder zu sein, wie es immer gewesen war, mein Refugium, wo jede Wunde, jede Kränkung der Seele Linderung und Erleichterung fand. Die Zuneigung meiner Freunde erwärmte mir das Herz. Und ich hatte sogar meine Tochter wiedergefunden.
    Ich hätte mich zurücklehnen können, stattdessen verspürte ich die schwärende Bedrohung, dass auch mir, während ich mich an der warmen Nachtluft berauschte, ein ähnlich dicker Gecko zu Leibe rücken würde. Ob er nun Aristarco, Martine oder Otello Ganci hieß, spielte keine Rolle. Das Entscheidende war, dass ich mir genau so vorkam: wie ein vom Mondlicht hypnotisierter Nachtfalter.

Stockhiebe
    An diesem Morgen kam Virgilio schon zeitig aus Tertenia herunter. Er hatte offenbar beschlossen, sich nun doch um Gancis Weinberge zu kümmern. In dem weißen Mitsubishi saß auch Laura, die lieber einen Tag am Meer mit Aglaja verbringen wollte, als mit ihren Schulkameraden einen Schulausflug auf den Monte Tertoli zu machen. Die Mädchen gingen zum Strand, und nachdem ich meinem Freund von der Begegnung mit der Französin und Aristarco erzählt hatte, brach ernach Porto Santoru auf und ich schaute ihm noch eine Weile nach. Dann ging ich zurück ins Haus, um über seine Worte nachzudenken.
Diese Frau ist vom Hass zerfressen. Sie kann eine Sache ganz besonders gut: wehtun – und zwar sich selbst und anderen
.
    Ich schaltete das Handy ein  – wahrscheinlich nur, um mir die besten Stunden den Tages verderben zu lassen. Tags zuvor hatte ich es die ganze Zeit ausgeschaltet gelassen, nichts sollte den ersten gemeinsamen Ausflug zum Meer mit meiner Tochter stören. Kaum war das Telefon an, spuckte es mir eine ganze Reihe von Mitteilungen über entgangene Anrufe entgegen, die alle von derselben Nummer stammten. Vom frühen Morgen bis in die

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