Der Tod Verhandelt Nicht
und Laura zu uns herüber und überfielen uns mit ihrer ausgelassenen, fröhlichen Laune. Es war, als würde eine frische Brise in unsere düstere Stimmung wehen. Von Weitem beobachtete uns Martine, auf deren Lippen sich ein maliziöses Lächeln abzeichnete.
»Pa«, sagte Aglaja, »warum hast du mir nichts davon gesagt?«
Ich sah sie nur fragend an.
Virgilios Toscano war wieder ausgegangen und rotierte nun auf seinen Lippen wie ein wieder und wieder gewälzter Gedanke.
»Martine hat uns von dem Angebot ihres Mannes erzählt, dass er uns reiten lassen will.«
»Du nennst sie Martine? Ich dachte, du findest sie blöd.«
»Vielleicht habe ich mich ja geirrt. Sie hat gesagt, sie würde gern einmal mit uns ausreiten. Und Laura darf auch mit.«
»Mit Vincenzo Puddu?«, fragte Virgilio.
»Keine Ahnung«, antwortete Aglaja. »Sie hat gesagt, dass ihr Stallbursche uns begleiten würde.«
»Der arme Kerl«, bemerkte er. »Gerade noch
attendente
, und schon zum Stallknecht degradiert.«
»Und dürften wir auch erfahren, was ihr euch Lustiges zu erzählen hattet?«, fragte ich, an meine Tochter gewandt.
»Wozu willst du das wissen? Um auch mal lachen zu können?«
»Das würde mir ziemlich guttun«, sagte ich, und im gleichen Moment schoss mir durch den Kopf, dass ich ihre Mutter noch nicht angerufen hatte.
»Wir haben auch über dich gesprochen«, antwortete Aglaja und konnte sich nur mit Mühe das Lachen verkneifen.
»Ich wusste gar nicht, dass ich als Thema so viel hergebe.«
»Martine hat uns erzählt, dass du deinen Kaffee immer bitter schwarz trinkst. An und für sich habe das ja noch nichts zu bedeuten …« Sie warf Laura einen Blick zu, worauf beide erneut in Lachen ausbrachen, das immer lauter wurde und sie daran hinderte, fortzufahren. »Aber es … es ist eben …«
Die beiden bogen sich vor Lachen, während ihnen Tränen über die Wangen liefen. So sehr, dass Virgilio und ich irgendwann mitlachen mussten, ohne dass wir auch nur im Entferntesten wussten, worum es ging.
»… nicht nur der Kaffee … schwarz ist auch alles andere … weshalb du einfach mal einen Löffel Zucker in dein Leben tun solltest …«
»Und du auch, Papa«, sagte Laura prustend zu Virgilio. »Du bist … du bist immer so mürrisch …«
Mein Freund konnte nichts erwidern, er lachte weiter aus vollem Hals.
»Stellt euch mal vor, wie schön das wäre«, fuhr Aglaja fort, »wenn man sein Leben zuckern könnte.«
Endlich kriegte sich Laura wieder ein.
»Also«, sie holte tief Luft, »dürfen wir mit Martine reiten gehen?«
»Wir werden sehen«, sagte Virgilio und wischte sichmit dem Handrücken die Tränen von der Wange. »Das muss ich erst mit deiner Mutter besprechen.«
Die Antwort reichte, um die ganze Fröhlichkeit in Luft aufzulösen. Also versuchte Virgilio erst mal, dem Zigarrenstummel mit seinem Feuerzeug wieder Leben einzuhauchen. Mit der hohlen Hand schützte er die Flamme vor dem Grecale. Die Meeresbrise war heftiger geworden, wie so oft gegen Mittag, wenn der Boden sich aufheizte. Virgilio stieß einen sardischen Fluch aus, weil die Zigarre gar nicht daran dachte, sich anzünden zu lassen.
Ich wusste, dass Laura lieber ein eigenes Pferd hätte, als mit Vincenzo Puddu und seiner französischen Freundin auszureiten. Virgilio hegte gegen Ganci und alle aus dessen Dunstkreis eine tiefe Aversion. Er wollte mit diesen Leuten nichts zu tun haben, auch wenn er im Gefängnis dreißig Jahre lang ähnliche Typen bewacht hatte und es gewohnt war, mit ihnen umzugehen wie mit jedem anderen. Ich hatte mit eigenen Augen gesehen, wie er sich mit gewissen Sträflingen verbrüdert hatte, die weitaus fiesere Visagen hatten als Gancis ausgemergeltes Gesicht es war.
Aber vielleicht war das auch leichter, wenn man in einer Uniform steckte. Die Rollen waren klar verteilt – einer stand auf dieser Seite von Recht und Gesetz und einer auf der anderen. Inmitten der Leute aus dem eigenen Dorf war das etwas anderes. Abgesehen davon befand er sich in der unangenehmen Lage, in der Badehose am Strand zu sitzen, wo niemand anhand von Laufbahn oder Strafregisterauszug identifiziert werden konnte. Das, was er mir über die Familie Canu gesagthatte, galt letztlich auch für ihn. Die Ehre ist ein Gefühl, das nicht mit Füßen getreten werden darf.
Widerstrebend hatte er eingewilligt, Gancis Weinstöcke zu beschneiden, denn in den Augen der Gemeinschaft konnte er so etwas nicht ablehnen. So hatte er sich die Gunst des Alten
Weitere Kostenlose Bücher