Der Tod Verhandelt Nicht
es gut sein, Pagano. Martine sehnt meine Beerdigung herbei wie einen Festtag. Sie kann es kaum erwarten, dass ich zur Hölle fahre, damit sie endlich das ganze Geld verprassen kann, das ich auf ihrem Konto anhäufe.«
»Ich dachte immer, Sie und Martine hielten zusammen wie Pech und Schwefel?«
»Vincenzo ist ein guter Junge. Wenn ich es ihm auftragen würde, würde er für mich durchs Feuer gehen. Die Tatsache, dass er mit meiner Frau schläft, hat nichts zu bedeuten. Lieber er als irgendein anderer. Seinem Vater habe ich ein feierliches Versprechen gegeben, bevor ihn ein Feigling mit mehreren Schüssen in den Rücken umgebracht hat. Das weiß Vincenzo, und er wird es nie vergessen.«
»Wissen Sie, wer es war?«
»Wenn ich das wüsste, wäre derjenige schon tot.«
»Es ist ja nicht gesagt, dass er es nicht schon ist.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Nun, es passiert immer mal, dass jemand stirbt.«
»Hören Sie auf, den Schlaumeier zu spielen. Giovanni Puddu war mein Freund. Freundschaft ist bei uns Sarden heilig. Wenn ein Freund auf der Straße abgeknallt wird wie ein Hund, kann man nicht einfach so tun, als wäre nichts passiert. Leider habe ich nie erfahren, wer ihn auf dem Gewissen hat und aus welchem Grund.«
»Warum legen Sie sich dann so ins Zeug? Mir müssen Sie nichts beweisen.«
Es folgte ein kurzer Moment der Stille. »Ich muss Sie davon überzeugen, dass Vincenzo auf Ihrer Seite ist.«
»Auf meiner Seite? Ich bin hier, um den Sohn von Sanna zu suchen.«
»Eben.«
Einmal mehr hatte er es geschafft, dass ich tief in seiner falschen Seele entdeckte, dass er eigentlich ein ehrlicher Kerl war. Wir verabschiedeten uns, und ich legte auf. Natürlich wusste er, wer Giovanni Puddu getötet hatte. Und wenn Virgilio recht hatte, hatte Otello Ganci seinen Landsmann Mario Canu drei Meter unter der Erde vergraben oder ihn mit einem Stein um den Hals ins Meer geworfen, damit ihn keiner mehr fand. Auch die Geschichte, dass die Canus mir eine Falle gestellt hätten, war garantiert erstunken und erlogen. Es sei denn, Ganci selbst hatte ihnen eingeflüstert, dass ich sie verdächtigte. Nein, seine Ehrlichkeit zeigte sich auf andere Weise: Wie er mir von seiner Frau und Vincenzo erzählt hatte. Von seinem Freund Giovanni Puddu.Und von meiner Tochter. Wenn er sich zu Gefühlen hinreißen ließ, konnte dieser Mann nicht lügen.
Ich schaltete das Handy aus und fing an zu lesen. Die Blätter der Zürgelbäume rauschten an diesem klaren Sommertag sanft in der Brise des Grecale. Unter den beiden Bäumen stand meine alte Vespa, die ich inzwischen von der sandigen Staubschicht befreit hatte. Irgendwo zirpte eine Zikade in wechselnden Tonlagen. Ab und zu wanderten meine Gedanken unbeabsichtigt zu Martine. Ob sie immer noch ›Der Idiot‹ las? Für mich fühlte es sich so an, als ob sie mithilfe von Dostojewskis Roman in meinem und dem Leben meiner Tochter herumschnüffeln würde. Vielleicht wollte sie ja herausbekommen, ob auch ich ein Idiot war, eine Marionette, die man nach Gutdünken für die eigenen Zwecke benutzen konnte. Falls sie heute an den Strand gegangen war, hatte sie jedenfalls nicht den Weg an Virgilios Haus vorbei genommen. Wieder fielen mir Virgilios Worte ein:
Diese Frau ist vom Hass zerfressen. Sie kann eine Sache ganz besonders gut: wehtun – und zwar sich selbst und anderen.
So verstrich der Morgen, bis ich mich gegen Mittag endlich aufraffte und Clara anrief. Sie nahm nach dem zweiten Klingeln ab.
»Um die Zeit bist du zu Hause?«, fragte ich überrascht. »Macht dein Pflichtgefühl Urlaub?«
»Du findest dich wohl sehr originell, was? Hast du Aglaja zur Fähre gebracht?«
»Sie ist am Strand. Allmählich bekommt sie ein bisschen Farbe. Als sie hier ankam, sah sie ja völlig erschöpft aus.«
»Jetzt hör mir mal gut zu, du Vollidiot, denn ich sage es dir nicht zweimal: Ich war beim Anwalt, der einem Richter das Problem mit Aglaja beschrieben hat. Er war sofort gewillt, dir die Carabinieri vorbeizuschicken. Hast du verstanden?«
Schweigen.
»Hallo?«, drängte sie. »Hörst du mich? Bist du noch dran? Bacci?«
»Clara, was spielt das für eine Rolle, ob ich noch dran bin oder nicht?«
»Leck mich …!«
»Aber eins weiß ich mit Sicherheit … ohne Zweifel …«
»Sprich dich aus.«
»Ohne Abstriche …«
»Jetzt mach hier nicht auf Clown, Bacci.«
»Du bist verrückt!«
Sie war im Begriff, zu einer Schimpftirade gegen mich anzusetzen, aber es war zu spät, denn ich
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