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Der Tod wartet im Netz (Die besten Einsendungen zum Agatha-Christie-Krimipreis 2011)

Titel: Der Tod wartet im Netz (Die besten Einsendungen zum Agatha-Christie-Krimipreis 2011) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordelia Borchardt und Andreas Hoh
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Rucksäcke.
    Endlich ging Gerd näher an das Mädchen und den Toten heran. Er ließ weder das Mädchen noch den Toten aus den Augen, während er in dem Rucksack nach einem Handy tastete.
    Als er es gefunden hatte, wählte er ohne nachzudenken die Nummer seines ehemaligen Büros.
    »Gerd hier, schickt ein paar Kollegen in den Volkspark. Gegenüber vom Stadtpavillon liegt einer mit durchgeschnittener Kehle«, seine Stimme wurde rau, als er die Todesart aussprach. Er hörte nicht mehr, was der Kollege sagte, der vermutlich seit fast drei Jahren an seinem Schreibtisch saß.
    »Wie heißt du?«, wollte Gerd von dem Mädchen wissen, nachdem er ihr Handy wieder im Rucksack verstaut hatte.
    »Angela Bayer«, antwortete das Mädchen schniefend und sah Gerd mit ihren grünen Augen an. Erst jetzt fiel Gerd auf, dass die Augen des Toten, die ebenfalls grün waren, noch offen standen. Er wusste zu gut, dass er nichts berühren durfte, doch konnte er es nicht ertragen, wie das Mädchen von den toten Augen angestarrt wurde. Mit einer Hand schloss er die Augen.
    »Komm!«, befahl er dem Mädchen. Wie eine Marionette gehorchte sie ihm. Gerd musste den Kopf des Toten halten, damit sie aufstehen konnte. Seine Hände waren voller Blut. Der Brunnen fiel ihm ein.
    »Komm mit!«, forderte er das Mädchen auf. Er ließ seinen Armeeschlafsack zurück in der Gewissheit, dass niemand es wagen würde, einen Schlafsack zu stehlen, wenn es von Polizisten nur so wimmelte.
    Mit wenigen Schritten hatten die beiden den großen Brunnen im Volkspark erreicht. Gerd tauchte seine blutigen Hände in das Wasser. Das Mädchen tat es ihm nach.
    »Was ist passiert?«, wollte Gerd wissen, nachdem sie sich nebeneinander auf die Brunnenmauer gesetzt hatten.
    Als hätte Gerd auf den Einschaltknopf eines MP 3-Spielers gedrückt, begann das Mädchen zu sprechen: »Ich komme immer morgens und bringe Papa ein Brötchen. Ich wohne bei meiner Mutter. Sie will nichts von meinem Vater wissen, seit er auf der Straße lebt.«
    Das Mädchen schluchzte auf, anscheinend wurde ihr erst in dem Moment bewusst, was geschehen war.
    »Als ich heute kam, lag mein Vater so da«, fuhr sie stockend fort und strich sich hilflos das strähnige, dunkelblonde Haar aus dem Gesicht.
    »Ich dachte, ich könnte ihn noch retten!« Ihre Stimme brach, und Gerd ließ sie weinen.
    In der Ferne konnte er seine ehemaligen Kollegen sehen, wie sie die Bank und die Umgebung weiträumig absperrten. Er wusste, was sie dachten. Schließlich hatte er fast zwanzig Jahre zur Truppe gehört. »Wieder ein Penner weniger«, würden sie sich sagen und es sich einfach mit der Ermittlung machen. Auch die Tochter, die hier in sich zusammengesunken saß, würden sie als Verdächtige nicht ausschließen. Vermutlich würden sie sogar ihn selbst als Täter in Betracht ziehen. Das braun gebrannte, faltige Gesicht des ehemaligen Polizisten Gerd Hoffmann zog sich zusammen. Nicht noch einmal würde ein Täter ungeschoren davonkommen. Er hatte vergessen, dass ihn mit dem Toten nichts verband als die Straße. Die Tochter vielleicht. Um ihretwillen musste er sich einmischen und zwar gleich.
    »Was weißt du über deinen Vater?«, fragte Gerd. Er wusste, das war eine schwierige Frage für ein Mädchen, das noch einen Rucksack mit Pferdemotiv hatte. Doch er musste die Gelegenheit nutzen. Das Mädchen hob den Kopf und sah ihn aus ihren verweinten Augen an. »Er war nett und hat sich immer um mich gekümmert!«
    Gerd konnte sich nicht vorstellen, wie ein Straßenbewohner sich um ein Schulkind kümmern sollte. »Wir haben uns nachmittags in der Bücherei auf der Springe getroffen und er hat mir bei den Hausaufgaben geholfen.«
    Erst jetzt fiel Gerd auf, wie wenig er auch von den anderen Straßenfreunden wusste. Man traf sich nur abends zum Schlafen und tagsüber ging fast jeder seine eigenen Wege.
    »Gestern konnte er mir nicht helfen«, berichtete das Mädchen. Ein Strahlen ging über ihr Gesicht. »Er war bei einem Casting im Theater.«
    »Im Theater?«, entfuhr es Gerd.
    »Ja, Papa hat in der Bücherei immer die Jobbörsen im Internet durchgesehen. Da gibt es eine Tagesjobbörse mit Jobs für den nächsten Tag. Ich war selbst dabei, als er von dem Casting gelesen hat.«
    Gerd merkte, dass die Wangen des Mädchens wieder Farbe bekommen hatten, als sie von ihrem Leben mit dem Vater erzählte.
    »Komparsen gesucht, stand da und gestern Nachmittag war das Casting!« Gerd hörte eine Begeisterung in der Stimme des Mädchens. Angela

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