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Der Tod wartet

Der Tod wartet

Titel: Der Tod wartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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dass meine Schwiegermutter eines natürlichen Todes starb, und bitte Sie, diesen Sachverhalt zu akzeptieren.»
    «Lassen Sie uns das klarstellen. Sie glauben, dass Ihre Schwiegermutter vorsätzlich getötet wurde, und bitten mich, einen Mord gutzuheißen!»
    «Ich bitte Sie, Mitleid zu haben!»
    «Ja – mit jemand, der selbst kein Mitleid hatte!»
    «Sie verstehen nicht – es war nicht so.»
    «Haben Sie das Verbrechen selbst begangen, Madame, dass Sie das so genau wissen?»
    Nadine schüttelte den Kopf. Sie verriet keinerlei Anzeichen von Schuldbewusstsein. «Nein», sagte sie ruhig. «Sie lebte noch, als ich sie verließ.»
    «Und dann? Was geschah dann? Sie wissen es – oder Sie vermuten es?»
    Nadine sagte heftig:
    «Monsieur Poirot, ich habe gehört, dass Sie damals bei dem Mord im Orientexpress die offizielle Version dessen, was sich ereignet hatte, akzeptiert haben.»
    Poirot sah sie neugierig an. «Darf ich fragen, wer Ihnen das erzählt hat?»
    «Trifft es zu?»
    Er sagte langsam: «Das war ein – anderer Fall.»
    «Nein. Der Fall war nicht anders! Der Mann, der getötet wurde, war ein schlechter Mensch» – sie senkte die Stimme –, «genau wie sie… »
    Poirot sagte: «Der moralische Charakter des Opfers hat nichts damit zu tun! Ein Mensch, der sich das Recht anmaßt, Selbstjustiz zu üben, und einem anderen das Leben nimmt, muss aus der menschlichen Gesellschaft ausgestoßen werden! Das sagt Ihnen Hercule Poirot!»
    «Wie hart Sie doch sind!»
    «Madame, in mancher Hinsicht bin ich unerbittlich. Ich werde niemals einen Mord gutheißen! Das ist das letzte Wort von Hercule Poirot.»
    Sie stand auf. In ihren dunklen Augen loderte plötzlich ein Feuer.
    «Dann nur zu! Ruinieren Sie das Leben unschuldiger Menschen! Ich habe Ihnen nichts mehr zu sagen.»
    «Ich glaube, dass Sie mir noch sehr viel zu sagen haben, Madame…»
    «Nein, nichts.»
    «O doch, Madame! Was geschah, nachdem Sie Ihre Schwiegermutter verlassen hatten? Während Sie und Ihr Gatte sich im Gemeinschaftszelt aufhielten?»
    Sie zuckte mit den Schultern. «Woher soll ich das wissen?»
    «Sie wissen es – oder Sie vermuten es.»
    Sie blickte ihm fest in die Augen. «Ich weiß gar nichts, Monsieur Poirot.»
    Sie drehte sich um und verließ das Zimmer.

Achtes Kapitel
     
    N achdem Poirot auf seinem Notizblock «N. B. 16.40», notiert hatte, ging er zur Tür und rief den Burschen, den ihm Colonel Carbury zur Verfügung gestellt hatte, einen intelligenten Mann mit guten Englischkenntnissen. Er bat ihn, Miss Carol Boynton zu holen.
    Als sie eintrat, betrachtete Poirot die junge Frau mit einigem Interesse – das kastanienbraune Haar, die Haltung des Kopfes auf dem schlanken Hals, die nervöse Rastlosigkeit der wohlgeformten Hände.
    Er sagte: «Setzen Sie sich, Mademoiselle.»
    Sie nahm gehorsam Platz. Ihr Gesicht war blass und ausdruckslos. Poirot sprach ihr zunächst automatisch sein Beileid aus, das die junge Frau ohne sichtbare Regung entgegennahm.
    «Und nun, Mademoiselle, würden Sie mir erzählen, wie Sie den Nachmittag des fraglichen Tages verbrachten?»
    Ihre Antwort kam so prompt, dass der Verdacht nahe lag, dass diese zuvor einstudiert worden war.
    «Nach dem Mittagessen machten wir alle einen Spaziergang. Ich kehrte ins Camp zurück – »
    Poirot unterbrach sie. «Einen kleinen Moment. Waren Sie bis dahin alle zusammen?»
    «Nein. Ich war die meiste Zeit mit meinem Bruder Raymond und Miss King zusammen. Dann ging ich allein weiter.»
    «Vielen Dank. Sie sagten, dass Sie ins Camp zurückkehrten. Um welche Uhrzeit war das?»
    «Ich glaube, es war ziemlich genau zehn Minuten nach fünf.»
    Poirot notierte sich «C. B. 17.10».
    «Und was taten Sie dann?»
    «Meine Mutter saß noch dort, wo sie gesessen hatte, als wir aufbrachen. Ich ging hinauf und sprach mit ihr und ging dann hinunter in mein Zelt.»
    «Können Sie sich genau erinnern, worüber Sie miteinander sprachen?»
    «Ich sagte nur, dass es sehr heiß sei und dass ich mich hinlegen werde. Meine Mutter meinte, sie würde bleiben, wo sie war. Das war alles.»
    «Schien sie Ihnen in irgendeiner Weise anders als sonst zu sein?»
    «Nein. Das heißt…»
    Sie verstummte unsicher und starrte Poirot sinnend an.
    «Von mir dürfen Sie die Antwort nicht erwarten, Mademoiselle», sagte Poirot ruhig.
    «Ich habe nur überlegt. Damals habe ich nicht weiter darauf geachtet, aber wenn ich jetzt zurückdenke…»
    «Ja?»
    «Es stimmt», sagte Carol langsam, «sie hatte eine komische Farbe

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