Der Tod wartet
hatten?»
«Ich trug den Stuhl, den ich aus meiner Höhle geholt hatte, wieder hinein und ging hinunter ins Gemeinschaftszelt, wo mein Mann war.»
Poirot beobachtete sie scharf, als er fragte:
«Erzählten sie auch ihm von Ihrem Entschluss? Oder hatten Sie ihn bereits informiert?»
Nadine zögerte nur den Bruchteil einer Sekunde lang. «Ich sagte es ihm erst unten im Zelt.»
«Und wie nahm er es auf?»
Sie antwortete leise: «Er war sehr bestürzt.»
«Bat er Sie, Ihren Entschluss zu überdenken?»
Sie schüttelte den Kopf. «Er – er sagte nicht viel. Wissen Sie, wir wussten beide schon seit einiger Zeit, dass es vielleicht dazu kommen würde.»
«Verzeihen Sie, wenn ich das frage», sagte Poirot, «aber der andere Mann ist Mr Jefferson Cope, nicht wahr?»
Sie senkte den Kopf. «Ja.»
Nach längerem Schweigen fragte Poirot in unverändertem Ton: «Besitzen Sie eine Spritze für subkutane Injektionen?»
«Ja – das heißt, nein.»
Poirots Augenbrauen wanderten nach oben.
Sie erläuterte es näher: «In meiner Reiseapotheke befindet sich unter anderem auch eine alte Spritze, aber die Tasche ist in unserem großen Gepäck, das wir in Jerusalem gelassen haben.»
«Ich verstehe.»
Beide schwiegen, bis Nadine beklommen sagte: «Warum fragen Sie mich das, Monsieur Poirot?»
Er gab keine Antwort darauf, sondern stellte seinerseits eine Frage: «Soviel ich weiß, nahm Mrs Boynton ein Medikament ein, das Digitalis enthielt?»
«Ja.»
Poirot bemerkte, dass sie inzwischen auf der Hut war.
«Wegen ihres Herzleidens?»
«Ja.»
«Könnte man sagen, dass Digitalis ein kumulatives Arzneimittel ist?»
«Ich glaube, ja. Aber ich kenne mich mit diesen Dingen nicht aus.»
«Wenn Mrs Boynton eine große Überdosis Digitalis eingenommen hätte – »
Sie fiel ihm sofort und mit großer Bestimmtheit ins Wort.
«Ausgeschlossen. Sie war immer sehr vorsichtig. Genau wie ich, wenn ich das Medikament für sie zurechtmachte.»
«Das bewusste Fläschchen könnte eine zu starke Dosis enthalten haben. Ein Versehen des Apothekers, der die Medizin zusammenstellte?»
«Das halte ich für äußerst unwahrscheinlich», erwiderte sie ruhig.
«Nun, nach der Analyse des Flascheninhalts werden wir Genaueres wissen.»
Nadine sagte: «Das Fläschchen wurde leider zerbrochen.»
Poirot musterte sie plötzlich sehr aufmerksam.
«Tatsächlich? Wer hat es zerbrochen?»
«Das weiß ich nicht genau. Vermutlich einer der Diener. Als die Leiche meiner Schwiegermutter in ihre Höhle gebracht wurde, herrschte ein ziemliches Durcheinander, und das Licht war sehr schlecht. Dabei fiel ein Tisch um.»
Poirot sah sie geraume Zeit unverwandt an.
«Das», sagte er schließlich, «ist sehr interessant.»
Nadine Boynton rutschte unbehaglich auf ihrem Stuhl hin und her.
«Wollen Sie damit andeuten, dass meine Schwiegermutter nicht an einem Schock starb, sondern an einer Überdosis Digitalis?», sagte sie und fügte hinzu: «Das erscheint mir höchst unwahrscheinlich.»
Poirot beugte sich vor. « Auch dann, wenn ich Ihnen verrate, dass Dr. Gérard , der französische Arzt, der sich im Camp au f hielt, eine beträchtliche Menge eines Digitoxin-Präparates aus seiner Reiseapotheke vermisst? »
Ihr Gesicht wurde aschfahl. Poirot sah, wie sich ihre Hand auf dem Tisch verkrampfte. Sie blickte zu Boden. Sie saß absolut still da. Wie eine aus Stein gemeißelte Madonna.
«Nun, Madame», sagte Poirot schließlich, «was haben Sie dazu zu sagen?»
Die Sekunden verstrichen, doch Nadine Boynton sagte nichts. Erst nach zwei Minuten hob sie endlich den Kopf, und Poirot erschrak, als er den Ausdruck in ihren Augen sah.
«Monsieur Poirot, ich habe meine Schwiegermutter nicht get ö tet. Das wissen Sie genau! Sie lebte und war wohlauf, als ich sie verließ. Das können mehrere Personen bezeugen! Und da ich dieses Verbrechen nicht begangen habe, kann ich mir erlauben, an Sie zu appellieren. Warum müssen Sie sich einmischen? Wenn ich Ihnen bei allem, was mir heilig ist, schwöre, dass hier nur der Gerechtigkeit Genüge getan wurde und nichts weiter – werden Sie Ihre Ermittlungen dann einstellen? Es hat schon so viel Leid gegeben – mehr als Sie ahnen. Und jetzt, wo es endlich vorbei ist und die Chance besteht, glücklich zu werden, jetzt wollen Sie das alles zerstören?»
Poirot setzte sich sehr gerade auf. In seinen Augen funkelte es gefährlich. «Damit wir uns richtig verstehen, Madame: Was genau verlangen Sie von mir?»
«Ich versichere Ihnen,
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