Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007

Titel: Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Wright
Vom Netzwerk:
allumfassendes System wie der Islam durchzusetzen imstande war.
    In Amerika wurde ihm schmerzhaft zu verstehen gegeben, dass er ein Farbiger war. In einer der Städte, die er besuchte (er nannte ihren Namen nicht), erlebte er, wie ein Schwarzer von einem weißen Mob verprügelt wurde. „Sie traten ihn mit den Schuhen, bis sich sein Blut und sein Fleisch auf der Straße vermischten.“ 52 Man kann nachempfinden, wie bedroht sich dieser dunkelhäutige Reisende gefühlt haben muss. Sogar in der liberalen Siedlung Greeley verbreiteten sich Rassenängste. In der Stadt lebten nur sehr wenige schwarze Familien. Die meisten Indianer vom Stamm der Ute waren aus dem Bundesstaat vertrieben worden, nachdem in einer Schlacht 14 Kavalleristen getötet worden waren und Nathan Meeker, der Gründer von Greeley, seinen Skalp verloren hatte. 53 In den zwanziger Jahren waren für die Arbeit auf den Feldern und in den Schlachthäusern mexikanische Arbeiter geholt worden. Zwar waren die Schilder abgenommen worden, auf denen Mexikanern der Aufenthalt in der Stadt nach Einbruch der Dunkelheit untersagt wurde, doch die katholische Kirche hatte nach wie vor separate Eingänge für Nichtweiße, die oben sitzen mussten. In dem gepflegten Park hinter dem Gerichtsgebäude war den weißen Bürgern die Südseite und den Latinos die Nordseite vorbehalten.
    Die ausländischen Studenten befanden sich in diesem von Rassenspannungen aufgeheizten Umfeld in einer schwierigen Lage. Die Studenten aus Afrika, Lateinamerika und Asien sowie viele Studenten aus Hawaii bildeten den Kern des Internationalen Klubs, dem sich auch Qutb anschloss. Am College gab es auch eine kleine Gruppe von Studenten aus dem Nahen Osten, darunter Flüchtlinge aus Palästina und einige Mitglieder der irakischen Königsfamilie. 54 Die Ausländer wurden von den Bürgern Greeleys im Allgemeinen freundlich aufgenommen und häufig auch nach Hause zum Essen oder zu Feiern eingeladen. Einmal wurde Qutb und einigen seiner Freunde der Zutritt zu einem Kino verwehrt, weil dessen Betreiber sie für Schwarze hielt. „Aber wir sind Ägypter“, protestierte einer aus der Gruppe. Der Kinobesitzer entschuldigte sich und wollte sie nun einlassen, aber Qutb verzichtete darauf, weil er sich darüber empörte, dass schwarze Ägypter Zutritt bekamen, schwarze Amerikaner aber nicht. 55
    Trotz der Spannungen, die sich in der Stadt ausbreiteten, bewahrte sich das College eine fortschrittliche Einstellung in Rassenfragen. In den Sommermonaten strömten schwarze Studenten aus den Lehrerbildungsinstituten in den Südstaaten zuhauf nach Greeley, doch während des regulären Studienjahres gab es hier nur wenige schwarze Studenten. Einer von ihnen war Jaime McClendon, der Footballstar der Hochschule, der dem Internationalen Klub angehörte und einen Palästinenser als Zimmerkollegen hatte. Weil sich die Friseure in Greeley weigerten, ihn zu bedienen, musste er jeden Monat nach Denver fahren, um sich die Haare schneiden zu lassen. Schließlich begleiteten ihn mehrere arabische Studenten zu einem der örtlichen Friseurgeschäfte und erklärten, sie würden erst wieder gehen, bis McClendon bedient worden sei. 56 Qutb schrieb später, dass „der Rassismus Amerika heruntergeholt hat vom Gipfel an den Fuß des Berges - und mit ihm auch den Rest der Menschheit“. 57
    Die Footballsaison 1949 verlief katastrophal für das Colorado State College of Education. McClendon fiel wegen einer Verletzung aus, die Mannschaft verlor sämtliche Spiele und erlitt gegen die Universität von Wyoming mit 103:0 eine denkwürdige Niederlage. Das Spektakel, das um den amerikanischen Football veranstaltet wurde, bestärkte Qutb in seiner Ansicht, dass es sich um einen sehr primitiven Sport handele. „Der Fuß spielt in diesem Spiel überhaupt keine Rolle“, berichtete er. „Vielmehr versucht jeder Spieler den Ball mit den Händen zu greifen, mit ihm zum Ziel zu rennen oder ihn dorthin zu werfen, während die gegnerischen Spieler ihn mit allen Mitteln daran zu hindern versuchen, wobei sie ihm in den Bauch treten oder die Arme oder die Beine brechen können … Unterdessen brüllen die Fans ‚Brich ihm das Genick! Zerschmettere ihm den Schädel!‘ “ 58
    Doch die eigentliche Gefahr für den einsamen ägyptischen Junggesellen ging von den Frauen aus. Viel deutlicher als andere Siedlungen im amerikanischen Westen wurde Greeley durch eine stark weibliche Ästhetik geprägt. Die Stadt war nicht von Bergleuten, Fallenstellern oder

Weitere Kostenlose Bücher