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Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007

Titel: Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Wright
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Doktorarbeit darüber, wie man am besten Geschirr spült, was ihnen anscheinend wichtiger ist als die Bibel oder die Religion.“Viele Amerikaner gelangten allmählich zu ähnlichen Erkenntnissen. Das Gefühl der Entfremdung im Alltagsleben Amerikas begann einen Schatten zu werfen auf die Nachkriegsparty. In vielerlei Hinsicht kam Qutb mit seiner Analyse, so hart sie auch war, nur etwas zu früh.
     
    DIE REISE hatte zweifellos nicht die Hoffnungen erfüllt, die Qutbs einflussreiche ägyptische Freunde in sie gesetzt hatten. Anstatt durch seine Erfahrungen in Amerika „geläutert“und liberaler zu werden, kehrte er radikalisierter zurück. Zudem sollten seine bitteren Eindrücke, nachdem er sie veröffentlicht hatte, die Wahrnehmung der Neuen Welt seitens der Araber und Muslime grundsätzlich verändern, und das zu einer Zeit, als Amerika und dessen Werte bei ihnen hoch im Kurs standen.
    Darüber hinaus kam er mit einer neuen, fest verankerten rassistischen Einstellung nach Hause zurück. „Der weiße Mann in Europa und Amerika ist unser Hauptfeind“, verkündete er. „Der Weiße unterwirft uns, während wir unseren Kindern seine Kultur beibringen, seine universellen Prinzipien und edlen Ziele... Wir flößen unseren Kindern Bewunderung und Respekt für jenen Herrn ein, der unsere Ehre mit Füßen tritt und uns versklavt. Lasst uns stattdessen die Saat des Hasses, des Abscheus und der Rache in die Herzen unserer Kinder einpflanzen. Lasst uns unseren Kindern von klein auf beibringen, dass der weiße Mann der Feind der Menschheit ist und dass sie ihn bei der ersten sich bietenden Gelegenheit vernichten sollen.“ 66
    Seltsamerweise berichten die Menschen, die Qutb in Amerika kennen lernten, dass er das Land anscheinend mochte. Sie erinnern sich, dass er ein schüchterner, höflicher Mensch war, politisch interessiert, aber nicht sonderlich religiös. Er vergaß nie die Namen von Menschen, die man ihm vorgestellt hatte, und äußerte kaum jemals Kritik an seinem Gastland. Vielleicht behielt er sein Missfallen für sich, bis er es zu Hause gefahrlos zum Ausdruck bringen konnte.
    Qutbs Auslassungen bezogen sich zweifellos nicht nur auf Amerika. Seine zentrale Sorge galt der Moderne. Werte wie Säkularismus, Rationalität, Demokratie, Subjektivität, Individualismus, der zwanglose Umgang zwischen den Geschlechtern, Toleranz, Materialismus hatten den Islam mittels des westlichen Kolonialismus infiziert. Und Amerika repräsentierte all dies. Qutbs Polemik richtete sich gegen Ägypter, die den Islam der modernen Welt unterwerfen wollten. Er wollte aufzeigen, dass der Islam und die Moderne vollkommen unvereinbar waren. 67 Sein außergewöhnliches, noch im Entstehen begriffenes Vorhaben zielte darauf, die gesamte politische und philosophische Struktur der Moderne aufzubrechen und den Islam zu seinen unverfälschten Ursprüngen zurückzuführen. Für ihn war dies ein Zustand der göttlichen Einheit, der völligen Übereinstimmung zwischen Gott und der Menschheit. Die Trennung zwischen der heiligen und der weltlichen Sphäre, zwischen Staat und Religion, Wissenschaft und Theologie, Verstand und Seele - dies waren die Kennzeichen der Moderne, die den Westen im Griff hatte. Doch der Islam konnte derartige Trennungen nicht akzeptieren. Im Islam, so glaubte er, könne die Göttlichkeit nicht eingeschränkt oder geschmälert werden, ohne sie zu zerstören. Der Islam war allumfassend und kompromisslos. Er war Gottes letztes Wort. Die Muslime hatten dies vergessen in ihrem Entzücken über den Westen. Nur wenn man den Islam wieder in den Mittelpunkt ihres Lebens rückte, ihrer Gesetze und ihres Regierungssystems, durften die Muslime darauf hoffen, ihren rechtmäßigen Platz als führende Kultur der Menschheit zurückzuerlangen. Dies war ihre Pflicht, nicht nur sich selbst gegenüber, sondern auch gegenüber Gott.
     
    QUTB kehrte am 20. August 1950 mit einem TWA-Flug nach Kairo zurück. 68 Wie er selbst, so hatte sich auch das Land mittlerweile radikalisiert. Erschüttert durch Korruptionsaffären und Attentate und gedemütigt durch die Niederlage gegen die Israelis 1948, hatte das ägyptische Regime fast jeglichen Rückhalt in der Bevölkerung verloren und war vom Wohlwollen der Besatzungsmacht abhängig. Die Briten hatten sich zwar offiziell aus Kairo zurückgezogen, konzentrierten ihre Streitkräfte aber in der Suezkanalzone. Die Hand des Empire lag noch schwer auf der aufsässigen Hauptstadt. Die Briten waren überall

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