Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
Gerechtigkeit. Im Krieg zwischen den Juden und den Arabern half die Welt ebenfalls den Juden.
Oh, was für eine pflichtvergessene Welt! Was für ein pflichtvergessener Junge!
QUTB war um einiges älter als die meisten Studenten am College und hielt sich daher etwas von ihnen fern. In den Campus-Mitteilungen gibt es ein Foto von ihm, auf dem er ein Exemplar seines Buches Dr. William Ross zeigt, dem Präsidenten der Hochschule. Qutb wird als „ein berühmter ägyptischer Autor“und „ein angesehener Lehrer“bezeichnet, deshalb brachten ihm seine Studienkollegen wohl einen gewissen Respekt entgegen, doch er pflegte hauptsächlich mit ausländischen Studenten Umgang. Eines Abends veranstalteten die arabischen Studenten eine „Internationale Nacht“, bei der sie traditionelle arabische Speisen zubereiteten, und Qutb fungierte als Gastgeber und fand erläuternde Worte zu jedem Gericht. 60 Ansonsten jedoch hielt er sich die meiste Zeit in seinem Zimmer auf und hörte klassische Musik auf seinem Plattenspieler. 61
In der Stadt fanden mehrmals in der Woche Polka- und Squaredance-Abende statt, und das College lud häufig bekannte Jazzbands ein. Die beiden populärsten Songs in diesem Jahr waren „Some Enchanted Evening“und „Bali Hai“, beide aus dem Musical South Pacific , das auf Micheners Roman beruhte; diese Lieder lagen in Greeley damals anscheinend in der Luft. Es war das Ende der Big-Band-Ära, der Rock’n’ Roll kündigte sich bereits an. „Der Jazz ist die amerikanische Musik, geschaffen von den Negern zur Befriedigung ihrer niederen Instinkte - ihrer Liebe zum Lärm und ihrer Gier nach sexueller Erregung“, schrieb Qutb 62 und zeigte damit, dass auch er nicht gefeit war gegen rassistische Vorurteile. „Dem Amerikaner gefällt die Jazzmusik nur, wenn sie von lautem Singen begleitet wird. Wie sich die Lautstärke steigert und die Schmerzen in den Ohren zunehmend unerträglich werden, so wächst auch die Begeisterung des Publikums, die Leute singen lauthals mit und klatschen in die Hände, bis man überhaupt nichts mehr versteht.“
Sonntags gab es im College kein Essen, und die Studenten mussten sich selbst verköstigen. Viele der ausländischen Studenten, auch Muslime wie Qutb, besuchten an den Sonntagabenden eine der mehr als 50 Kirchen in Greeley, wo nach dem Gottesdienst Essen stattfanden, zu denen jeder etwas mitbrachte, und wo manchmal auch getanzt wurde. „Der Tanzsaal war mit gelben, roten und blauen Lichtern geschmückt“, erinnerte sich Qutb. „Der Raum hallte wider von der fieberhaften Musik aus dem Grammophon. Tanzende nackte Beine wirbelten durch den Raum, Arme schlangen sich um Hüften, Brust drückte sich an Brust, Lippen fanden andere Lippen, und die Atmosphäre war aufgeheizt mit Sinnenlust.“Der Geistliche betrachtete die Szene wohlwollend und dämpfte sogar die Beleuchtung, um die romantische Stimmung zu fördern. Dann legte er ein Lied mit dem Titel „Baby, It’s Cold Outside“auf, eine langsame Ballade aus dem Film Neptune’s Daughter mit Esther Williams, der diesen Sommer in die Kinos gekommen war. „Der Geistliche beobachtete seine jungen Schutzbefohlenen noch eine Weile, wie sie sich im Rhythmus des verführerischen Liedes wiegten, dann überließ er sie sich selbst, damit sie sich dieser angenehmen, unschuldigen Nacht hingeben konnten“, schloss Qutb sarkastisch. 63
Im Dezember schlich sich ein neuer Ton in Qutbs Briefe an seine Freunde ein. Er begann von seiner „Entfremdung“zu sprechen, in seelischer wie auch in körperlicher Hinsicht. 64 Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich bereits aus allen Kursen zurückgezogen.
Sajid Qutb hielt sich noch weitere acht Monate in Amerika auf, die meiste Zeit in Kalifornien. Seine Wahrnehmung Amerikas unterschied sich deutlich von der der Amerikaner selbst. In der Literatur, in den Filmen und insbesondere auch im neuen Medium Fernsehen stellten sich die Amerikaner als sexuell neugierige, aber unerfahrene Menschen dar, während Qutbs Amerika mehr dem vom Kinsey-Report gezeichneten Bild entsprach. Qutb sah ein spirituelles Ödland, obwohl damals nahezu jeder Amerikaner an Gott glaubte. Man könne sich leicht in die Irre führen lassen durch die Vielzahl von Kirchen, geistlichen Schriften und religiösen Feste, beharrte Qutb; es lasse sich nicht daran rütteln, dass der Materialismus der eigentliche Gott Amerikas sei. „Die Seele besitzt für die Amerikaner keinen Wert“, schrieb er an einen neuen Freund. 65 „Es gibt eine
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