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Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007

Titel: Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Wright
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meisten männlichen Agenten trug Freeh billige Anzüge und abgewetzte Schuhe und unterschied sich damit deutlich von seinem Untergebenen O’Neill in seinem Burberry-Nadelstreifenanzug und seinem Bruno-Magli-Schuhwerk.
    Es war Abend, als die beiden Männer mit einem kleinen Team von Mitarbeitern in Dhahran ankamen. Durch die Explosion war ein Krater von 25 Metern Breite und zehn Metern Tiefe entstanden, der durch Scheinwerfer auf hohen Stangen beleuchtet wurde; in der Umgebung lagen ausgebrannte Autos und umgestürzte Geländewagen. Über dem Schutt ragten die Ruinen des Wohnkomplexes in den Himmel. Die Bombe war wesentlich stärker gewesen als jene, die beim Anschlag auf das Ausbildungszentrum der saudischen Nationalgarde im Vorjahr verwendet worden war, und auch stärker als der Sprengsatz, der 1995 beim Anschlag in Oklahoma City 168 Menschen getötet hatte. O’Neill ging durch das Trümmerfeld und nahm erschöpfte Agenten in die Arme, die den Sand nach Beweismitteln durchsiebten und mit großer Sorgfalt persönliche Gegenstände in Tüten steckten. Abgerissene Körperteile lagen im Sand, gekennzeichnet durch Kreise in roter Farbe. Unter einer in der Nähe aufgespannten Plane setzten die Ermittler Teile des Lastwagens zusammen, der beim Anschlag verwendet worden war.
    Die amerikanischen Agenten waren ungehalten darüber, dass die saudischen Behörden ihre Arbeit behinderten. Sie durften keine Zeugen befragen oder Verdächtige verhören. Sie durften nicht einmal den Ort des Anschlags verlassen. Ihrer Ansicht nach wollten die Saudis verhindern, dass bekannt wurde, dass es in ihrem Land eine interne Opposition gab. Vielen Agenten, die bislang nur wenig Erfahrung im Nahen Osten gesammelt hatten, drängte sich der Eindruck auf, dass sich die saudische Herrscherfamilie mit allerletzter Kraft an die Macht klammerte.
    Freeh war anfänglich zuversichtlich, dass sich die Saudis kooperativ zeigen würden, aber O’Neill wurde zunehmend frustrierter, als die spätabendlichen Zusammenkünfte immer mehr ins Unverbindliche abglitten. Als sie nach einem ihrer zahlreichen Besuche im Wüstenkönigreich nach Hause flogen, war Freeh gut aufgelegt. „War das nicht eine tolle Reise? Ich glaube, sie werden uns wirklich helfen.“ 2
    O’Neill erwiderte: „Das ist doch nicht Ihr Ernst. Sie haben uns überhaupt nichts geliefert. Sie haben uns nur Honig ums Maul geschmiert.“
    Für den Rest des Fluges redete Freeh nicht mehr mit O’Neill. Aber da er O’Neills Einsatzbereitschaft und Begabung kannte, schickte er ihn mit dem Auftrag zurück nach Saudi-Arabien, weiter zu versuchen, die Saudis zur Zusammenarbeit zu bewegen. O’Neill traf sich mit Prinz Naif und anderen einflussreichen Persönlichkeiten. Sie hörten sich widerstrebend an, was er vorzubringen hatte. Geheimdienste sind überall auf der Welt eifersüchtige und auf sich selbst bezogene Organisationen, die ungern Informationen mit anderen teilen, was O’Neill wohl bewusst war. Er wollte durch Charme und Beharrlichkeit möglichst viel aus seinen Gesprächspartner herausholen, aber die Saudis erwiesen sich als unzugänglich für seine Schmeicheleien. Sie waren noch verschlossener und wortkarger als alle anderen Polizeiorganisationen, die er kennen gelernt hatte. Die Amerikaner wurden wütend, als sie erfuhren, dass die saudischen Behörden vor einigen Monaten einen aus dem Libanon kommenden Wagen abgefangen hatten, der, vollgestopft mit Sprengstoff, Richtung Khobar unterwegs war. Prinz Naif hatte damals entschieden, die Amerikaner nicht darüber zu informieren. 3
    Neben ihrer kulturell bedingten Zurückhaltung hatten die Saudis auch rechtliche Gründe, um gegenüber den Amerikanern vorsichtig zu sein. Weil im Königreich die Scharia gilt, steht es den von der Geistlichkeit bestimmten Richtern frei, jegliche Beweismittel zu verwerfen, die sie nicht berücksichtigen wollen, insbesondere Material, das von ausländischen Geheimdiensten stammt. Die Saudis hegten die Sorge, dass das Verfahren durch die Beteiligung des FBI beeinträchtigt werden könnte. O’Neill arbeitete ein Abkommen aus, wonach FBI-Agenten gestattet werden sollte, Verdächtige hinter Spiegelglas zu verhören, wodurch die amerikanische Bundespolizei Zugang zu Informationen erhielt, während zugleich, worauf die Saudis strikt beharrten, der Anschein getrennter Ermittlungen aufrechterhalten wurde.
    Als sich abzeichnete, dass wahrscheinlich vom Iran unterstützte Terroristen hinter dem Anschlag steckten, wollten die

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