Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
Saudis die Untersuchungen nicht weiter fortführen. Sie waren besorgt über eine mögliche Reaktion der Amerikaner, sollte sich die Verwicklung Irans bestätigen, was bald der Fall war. Die eigenen Ermittlungen der Saudis richteten sich gegen einen Hisbollah-Ableger im Königreich.
Es war unwahrscheinlich, dass gegen Iran wirtschaftliche und diplomatische Sanktionen verhängt werden würden, denn das würden die Europäer nicht mittragen. „Wahrscheinlich könnt ihr gar nichts tun“, bemerkte ein Saudi gegenüber O’Neill. „Wenn ihr militärisch reagieren wollt, welche Ziele wollt ihr bombardieren? Wollt ihr Atomwaffen einsetzen? Ihre Militäreinrichtungen platt machen? Ihre Ölraffinerien zerstören? Und was erreicht ihr dadurch? Sie sind unsere unmittelbaren Nachbarn. Ihr seid 10 000 Kilometer von ihnen entfernt.“ 4
In der neuen Ära eines global tätigen FBI, das begriff O’Neill, war es eine Sache, einen Fall aufzuklären, und etwas anderes, Gerechtigkeit durchzusetzen.
O’NEILL brannte darauf, aus Washington wegzukommen und endlich „Einsätze durchzuführen“. 5 Er wollte sich wieder um konkrete Fälle kümmern. Im Januar 1997 wurde er Special Agent in Charge der National Security Division in New York, dem größten und angesehensten Feldbüro der Bundespolizei. Als er dort ankam, knallte er seiner neuen Sekretärin, Lorraine di Taranto, vier Schachteln mit Rolodex-Karten auf den Schreibtisch. Dann gab er ihr eine Liste mit den Namen aller Personen, die er sprechen wollte - den Bürgermeister, den Polizeichef, die stellvertretenden Polizeichefs, die Leiter der Bundesbehörden sowie die führenden Vertreter der religiösen und ethnischen Gruppen in den fünf New Yorker Verwaltungsbezirken. Im Lauf eines halben Jahres hatte er alle Namen auf der Liste abgearbeitet.
Mittlerweile schien es ihm, als habe er schon immer in New York gelebt. Die Stadt war eine große Bühne, auf der O’Neill die Hauptrolle beanspruchte. Er stand zusammen mit John O’Connor, dem Erzbischof von New York, bei der Parade am St. Patrick’s Day auf den Stufen der St. Patrick’s Cathedral. Er betete mit den Imamen in Brooklyn. Sportler und Filmstars wie Robert De Niro suchten seine Nähe und bezeichneten ihn als Freund. „John, diese Stadt liegt dir zu Füßen“, meinte einer seiner Kumpels nach einer Late-Night-Show, in der alle Gäste O’Neill ihre Referenz erwiesen hatten. 6 O’Neill erwiderte: „Was bringt es denn, wenn man Sheriff ist und nicht auch wie ein solcher handeln kann?“
O’Neill war jetzt zuständig für Terrorbekämpfung und Spionageabwehr in einer Stadt voller Emigranten, Spionen und zwielichtigen Diplomaten. Die Einheit, die sich mit dem Nahen Osten beschäftigte, wurde im nüchternen Bürokratenjargon I-49 genannt. Ihre Mitarbeiter verbrachten ihre Zeit größtenteils mit der Beobachtung der Sudanesen, Ägypter und Israelis, die allesamt in New York Zuträger anzuwerben versuchten.
Die meisten Angehörigen dieser Abteilung waren gebürtige New Yorker, die noch nicht weit herumgekommen waren. Dazu gehörte beispielsweise Louis Napoli, ein Detective der New Yorker Polizei, der von der Joint Terrorism Task Force der Einheit I-49 zugeteilt worden war. Napoli lebte noch immer in dem Haus in Brooklyn, in dem er aufgewachsen war. Die Brüder John und Mike Anticev, ebenfalls aus Brooklyn, waren Kinder kroatischer Einwanderer. Richard Karniewicz aus Brooklyn war Sohn polnischer Immigranten, die auf seinem Akkordeon Polka spielten. Jack Cloonan war in Waltham in Massachusetts aufgewachsen und hob sich nicht nur durch seinen Akzent von seinen Kollegen ab: Er hatte am College Englisch und Latein als Hauptfächer belegt und war 1972 ins FBI eingetreten, am selben Tag, an dem dessen Leiter J. Edgar Hoover starb. Carl Summerlin war ein schwarzer New Yorker Nationalgardist und ehemaliger Tennischampion. Kevin Cruise war Absolvent der Militärakademie West Point und früher Hauptmann in der 82. Luftlandedivision gewesen. Mary Deborah Doran war die Tochter eines FBI-Agenten; sie hatte für das Council on Foreign Relations gearbeitet und war dann nach Nordirland gegangen, um ihre Abschlussarbeit über irische Geschichte zu schreiben. Leiter der Gruppe war Tom Lang, ein freimütiger, derber und temperamentvoller Ire aus Queens, der O’Neill aus ihrer gemeinsamen Zeit als Fremdenführer in der FBI-Zentrale kannte. Einige Mitglieder der Gruppe, wie Lang und die Gebrüder Anticev, beschäftigten sich bereits seit
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