Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
Die Wunden, die dieser erbitterte Konflikt schlug, würden nicht mehr heilen.
Nur acht Stunden nach den Anschlägen waren Dutzende FBI-Beamte auf dem Weg nach Kenia. Schließlich arbeiteten fast 500 Mitarbeiter der Behörde in Afrika an den beiden Fällen. Nie zuvor hatte das FBI derart viele Ermittler ins Ausland entsandt. Auf dem Weg vom Flughafen Nairobi musste der Bus, der die Vorhut des FBI in die Stadt brachte, anhalten und einem Massai den Vortritt lassen, der seine Rinderherde über die Straße trieb. 19 Die Agenten starrten aus dem Fenster auf die verstopften Straßen, auf denen es von Radfahrern und Eselskarren wimmelte. Sie sahen fremdartige Szenen von exotischer Schönheit und schockierender Armut. Viele der FBI-Beamten kannten die Welt außerhalb der Vereinigten Staaten nicht, und einige hatten erst am Tag ihrer Abreise einen Reisepass erhalten. 20 Und nun befanden sie sich 9000 Meilen entfernt von der Heimat. Sie wussten wenig über die Gesetze und Bräuche der Länder, in denen sie arbeiten sollten. Sie waren verunsichert und angespannt, denn nun waren auch sie mögliche Ziele für al-Qaida.
Stephen Gaudin, 21 ein stämmiger Rotschopf aus dem North End von Boston, holte seine Maschinenpistole hervor und legte sie sich in den Schoß. Seine bisherige Karriere beim FBI hatte er mit einem Kollegen in einem Büro über einem Dunkin’ Donuts im Norden des Bundesstaats New York verbracht. Von al-Qaida hatte er nie gehört. Er war als Sicherheitsmann mitgenommen worden. Nun musste er zu seiner Verblüffung feststellen, dass die Botschaft von einer riesigen Menschenmenge umgeben war. Alles, was er sah, war ihm vollkommen fremd. Wie sollte er die anderen FBI-Beamten beschützen, wenn er keine Ahnung hatte, was hier geschah?
Der Bus setzte sie vor der rauchenden Ruine der Botschaft ab. Das Ausmaß der Verheerung war überwältigend: Die Eingeweide des Gebäudes lagen von einem Ende zum anderen frei. Die benachbarte Sekretariatsschule war dem Erdboden gleichgemacht. Die Retter gruben mit bloßen Händen im Schutt, um an die Verletzten heranzukommen. Stephen Gaudin starrte fassungslos auf die Ruinen und fragte sich: „Was zum Teufel sollen wir tun?“Das FBI hatte noch nie einen Bombenanschlag im Ausland untersucht.
Unter den Menschen, die in den Trümmern der Sekretariatsschule gefangen waren, war eine Frau namens Roselyn Wanjiku Mwangi - jeder hier kannte sie als Rosie. Die Helfer konnten hören, wie sie unter den Trümmern versuchte, einem Mann, dessen Bein eingeklemmt war, Mut zuzusprechen. Angespornt von Rosies Stimme arbeiteten die Rettungseinheiten zwei Tage lang unablässig. Schließlich erreichten sie den Mann und schaufelten ihn behutsam aus dem Schutt. Sie versprachen Rosie, sie würden sie in weniger als zwei Stunden herausholen. Aber als sie endlich bis zu ihr vorgedrungen waren, war sie tot. Es war ein furchtbarer Schlag für die erschöpften Helfer.
Die beiden nahezu zeitgleichen Bombenanschläge waren ein unverfrorener Angriff auf die Stellung der Vereinigten Staaten in der Welt. Erschreckend war die anspruchsvolle Technik der Bomben, aber noch beunruhigender war die Bereitschaft al-Qaidas, die Eskalation der Gewalt voranzutreiben. Das FBI fand später heraus, dass die Terroristen fünf amerikanische Botschaften ins Auge gefasst hatten, doch glückliche Umstände und eine bessere nachrichtendienstliche Tätigkeit hatten die anderen drei Vertretungen gerettet. 22
Die Ermittlungsbeamten waren wie vom Donner gerührt, als sie erfuhren, dass ein knappes Jahr zuvor ein ägyptisches Mitglied von al-Qaida in der amerikanischen Botschaft in Nairobi erschienen war und der CIA von dem geplanten Anschlag erzählt hatte. Die CIA hatte diese Information als unzuverlässig verworfen. Das war kein Einzelfall. Kaum jemand hatte die Salve von Drohungen und Fatwas ernst genommen, die Bin Laden das ganze Frühjahr hindurch abgefeuert hatte. Diese Nachlässigkeit hatte furchtbare Folgen gehabt.
DREI TAGE nach den Anschlägen erhielt Stephen Gaudin von seinem Vorgesetzten Pat D’Amuro die Anweisung, einem Hinweis nachzugehen. „In einem Hotel außerhalb von Nairobi hat sich ein Bursche einquartiert, der dort nicht hinpasst“, sagte D’Amuro.
„Das ist alles?“, fragte Gaudin. „Er passt dort nicht hin? Was soll das heißen?“
„Wenn dir dieser Hinweis nicht gefällt, habe ich noch hunderte andere“, antwortete D’Amuro.
Gaudin und zwei weitere Ermittler machten sich auf den Weg in eine
Weitere Kostenlose Bücher