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Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007

Titel: Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Wright
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verrückte Kriegserklärung an die Vereinigten Staaten glaubwürdiger machen, und der Selbstmord der Attentäter würde eine wenn auch dürftige moralische Rechtfertigung für Angriffe liefern, die dazu dienten, möglichst viele Menschen zu ermorden. Auch in dieser Hinsicht war al-Qaidas Vorgehensweise ungewöhnlich. Der massenhafte Tod von Menschen wurde zu einem Ziel an sich. Es wurde kein Versuch unternommen, das Leben unschuldiger Menschen zu schonen, da das Konzept der Unschuld in al-Qaidas Überlegungen keinen Platz hatte. Der Koran untersagte ausdrücklich das Töten von Frauen und Kindern, doch einer der Gründe für den Angriff auf die Botschaft in Kenia bestand gerade darin, dass der Tod der Botschafterin Prudence Bushnell ein Garant für zusätzliche Publicity sein würde.
    Die gesamte Operation verriet al-Qaidas Mangel an Erfahrung. Als Dschihad Ali auf den Parkplatz hinter der amerikanischen Botschaft in Nairobi fuhr, sprang Owhali aus dem Lastwagen und stürmte auf den Wachposten zu. Er sollte den unbewaffneten Wachmann zwingen, die Schranke zu heben, aber dieser weigerte sich. Und Owhali hatte seine Pistole in seiner Jacke im Fahrzeug liegen lassen. Es gelang ihm allerdings, einen Teil seiner Mission zu erfüllen und eine Blendgranate in den Hof zu werfen. Der Lärm erregte die Aufmerksamkeit vieler Leute im Gebäude. Eine der Lehren, die Sawahiri aus seinem Bombenanschlag auf die ägyptische Botschaft in Islamabad drei Jahre zuvor gezogen hatte, bestand darin, dass eine erste „Lockexplosion“die Neugierde der Menschen weckte und sie dazu brachte, zu den Fenstern zu eilen, sodass viele bei der Detonation der eigentlichen Bombe von herumfliegenden Glassplittern enthauptet wurden.
    Owhali wurde plötzlich mit einer moralischen Entscheidung konfrontiert, die seiner Meinung nach sein Schicksal in der Ewigkeit bestimmen würde - zumindest erzählte er das später einem FBI-Agenten. Er hatte erwartet, ein Märtyrer zu werden; der Tod bei dem Anschlag sollte ihn geradewegs ins Paradies befördern. Aber wie er später erklärte, begriff er nun, dass seine Mission, die Blendgranate zu zünden, bereits erfüllt war. Würde er in den sicheren Tod stürmen, so wäre er kein Märtyrer, sondern ein Selbstmörder. Somit würde sein Schicksal nicht die Erlösung, sondern die Verdammnis sein. So schmal ist die Brücke zwischen Himmel und Hölle. Um seine Seele zu retten, machte Owhali also kehrt und lief los. Seine eigentliche Aufgabe, die Schranke zu heben, damit der Lastwagen näher an das Gebäude gefahren werden konnte, hatte er nicht erfüllt.
    Er kam nicht weit. Die Detonation schleuderte ihn auf den Gehsteig, zerfetzte seine Kleidung und spickte seinen Rücken mit Schrapnell. Als er wieder auf die Beine kam, sah er in der geisterhaften Stille nach der Explosion das Resultat seines Teufelswerks.
    Die Fassade des Gebäudes war in großen Betonbrocken herabgerissen worden. Tote Menschen saßen an ihren Schreibtischen. Der Asphalt auf der Straße brannte. Ein vollbesetzter Bus stand in Flammen. Das benachbarte Ufundi-Gebäude, in dem eine Sekretärinnenschule untergebracht gewesen war, war eingestürzt. Unter den Trümmern waren zahlreiche Menschen eingeklemmt, und nach wenigen Augenblicken erhoben sich ihre Schreie zu einem Chor von Angst und Schmerz, der tagelang andauern sollte, bis sie gerettet oder vom Tod zum Schweigen gebracht wurden. Bei dem Anschlag starben 213 Menschen, darunter zwölf Amerikaner. 4500 Personen wurden verletzt, von denen mehr als 150 durch herumfliegende Glassplitter das Augenlicht verloren hatten. Die Ruinen brannten mehrere Tage lang.
    Neun Minuten später lenkte „Ahmed der Deutsche“seinen Lastwagen auf den Parkplatz der Botschaft in Daressalam und drückte auf den Auslöser, der mit dem Armaturenbrett verkabelt war. Zufällig stand zwischen ihm und der Botschaft ein Wassertankwagen. Dieser wurde drei Stockwerke empor geschleudert und landete in der Kanzlei der Botschaft, aber er hatte den Attentäter daran gehindert, nahe genug an das Gebäude zu gelangen, um es zum Einsturz zu bringen. Es starben elf Menschen, 85 wurden verletzt. Alle Opfer waren Afrikaner.
    Abgesehen von dem nahe liegenden Ziel, die Aufmerksamkeit der Welt auf die Existenz von al-Qaida zu lenken, war der Zweck der Anschläge unbestimmt und verwirrend. Die Operation in Nairobi war nach der Kaaba in Mekka benannt, der Anschlag in Daressalam erhielt die Bezeichnung „Al-Aksa“nach der gleichnamigen Moschee in

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