Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
Jerusalem. Keiner der beiden Namen stand in einem direkten Zusammenhang mit den amerikanischen Botschaften in Afrika. Bin Laden lieferte wechselnde Begründungen für die Angriffe. Zunächst erklärte er, diese Orte seien aufgrund der „Invasion“von Somalia ausgewählt worden, dann rechtfertigte er die Anschläge mit einem angeblichen Plan der Vereinigten Staaten, den Sudan zu teilen, und erklärte, dieser Plan sei in der Botschaft in Nairobi ausgeheckt worden. Ein anderes Mal erzählte er seinen Anhängern, der Genozid in Ruanda sei in diesen beiden amerikanischen Botschaften geplant worden.
Die Muslime in aller Welt reagierten bestürzt und entsetzt auf die Anschläge. Der Tod derart vieler Menschen, die überwiegend Afrikaner und in vielen Fällen Muslime waren, weckte Empörung. Bin Laden erklärte, die Anschläge sollten den Amerikanern die Augen für die Grausamkeiten öffnen, die die Muslime zu ertragen hätten. Doch die Mehrheit der Weltöffentlichkeit und sogar einige Mitglieder von al-Qaida sahen keinen Sinn in diesen Aktionen. Dies war ein spektakulärer Massenmord, der keinerlei Auswirkungen auf die amerikanische Politik haben und lediglich einen massiven Gegenschlag provozieren würde. Aber wie sich herausstellte, war genau das beabsichtigt. Bin Laden wollte die Vereinigten Staaten nach Afghanistan locken, in ein Land, das bereits die Bezeichnung „Friedhof der Imperien“trug. Terror hat normalerweise zum Ziel, den Gegner zu brutalen Unterdrückungsmaßnahmen zu verleiten, und Bin Laden traf die Vereinigten Staaten in einem unglücklichen Augenblick ihrer Geschichte, als sie sehr verwundbar waren.
„JETZT GEHT ES LOS!“, sagte der Stellvertretende Bundesanwalt Patrick Fitzgerald zu Coleman, als die Nachricht von den Bombenanschlägen hereinkam. 18 In New York war es 3 Uhr 30, als er anrief. Coleman stieg aus dem Bett und fuhr unverzüglich nach Washington. Zwei Tage später traf er sich in einem Fastfood-Restaurant an der Interstate 95 mit seiner Frau, die ihm seine Medikamente und saubere Wäsche brachte. Sie wusste, dass ihm eine lange Zeit im SIOC bevorstand.
Die FBI-Zentrale beauftragte das Washingtoner Büro, das normalerweise für Ermittlungen im Ausland zuständig ist, mit der Untersuchung der Anschläge auf die Botschaften. Aber O’Neill wollte unbedingt die Kontrolle über die Ermittlungen haben. New York hatte eine Anklage gegen Bin Laden in der Hand, womit dieses Büro das Recht hatte, die Untersuchung an sich zu ziehen, sollte Bin Laden tatsächlich hinter den beiden Anschlägen stecken. Aber selbst auf den höheren Ebenen des FBI bestand noch keine Klarheit über die Rolle dieses Mannes, und der Begriff „al-Qaida“war nahezu unbekannt. Es kamen verschiedene Urheber in Frage, darunter Hisbollah und Hamas. O’Neill musste zunächst einmal seiner eigenen Behörde beweisen, dass Bin Laden die Fäden gezogen hatte.
Er holte sich einen jungen Agenten libanesischer Herkunft namens Ali Soufan aus einem anderen Dezernat. Soufan war der einzige FBI-Agent in New York, der Arabisch sprach (im ganzen Land gab es nur acht FBI-Beamte mit Arabischkenntnissen). Er hatte Bin Ladens Fatwas und Interviews in Eigeninitiative studiert. Daher erkannte Soufan sofort die Urheberschaft Bin Ladens, als am Tag der Bombenanschläge bei mehreren Medien das Bekennerschreiben einer Gruppe einging, von der noch niemand gehört hatte. Die Sprache war dieselbe wie in Bin Ladens vorangegangenen Erklärungen. Gestützt auf Soufans Erkenntnissen konnte O’Neill noch am Tag der Anschläge ein Fernschreiben an die Zentrale schicken, in dem er die verräterischen Ähnlichkeiten zwischen Bin Ladens früheren Erklärungen und dem unter einem Pseudonym verschickten Bekennerschreiben darstellte.
Thomas Pickard, der damalige Leiter der Kriminalabteilung in der Zentrale, hatte die zwischenzeitliche Leitung des Büros übernommen, da Direktor Freeh im Urlaub war. Er lehnte O’Neills Ansuchen ab, die Untersuchung dem New Yorker Büro zu übertragen. Pickard wollte, dass die Ermittlungen unter Aufsicht des Washingtoner Büros stattfanden, das er früher geleitet hatte.
O’Neill machte sich hastig auf die Suche nach Unterstützung mächtiger Personen, darunter Justizministerin Reno und sein Freund Richard A. Clarke. Schließlich beugte sich die Leitung des FBI dem Druck von oben, den O’Neill mobilisiert hatte, aber zur Strafe ließ man ihn nicht nach Kenia reisen, um die Untersuchung vor Ort persönlich zu leiten.
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